GKV fordert nach wg.Selbständigkeit,hätte aber wissen müssen

positive und negative Erfahrungen zu einzelnen Krankenkassen

Moderator: Czauderna

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Karl Kraka
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GKV fordert nach wg.Selbständigkeit,hätte aber wissen müssen

Beitrag von Karl Kraka » 15.12.2011, 16:14

Hallo,

ich habe ein Problem meiner gesetzlichen Krankenkasse, die mit einer hohen Nachforderung an mich herantritt. Ich bin seit etlichen Jahre dort freiwillig versichert und hatte wegen geringen Einkommens den Mindestbeitrag bezahlt. Auch noch, nachdem ich 2004 ein Gewerbe angemeldet hatte, das allerdings kaum etwas abwarf (deutlich unter 400 €). Ich hielt mich über Wasser mit einem 400-€-Job und sehr geringen Ausgaben. Die Kasse fragte regelmäßig, zumindest mehrfach an und ich antwortete mit dem Einkommensteuer-Bescheid. Seit 2007 läuft mein Gewerbe so gut, dass ich auf bescheidenem Niveau davon leben konnte = ca. 1000 €. Auch in den Jahren 2007-2009 gab es mindestens eine Anfrage der Kasse, die ich wahrheitsgemäß beantwortete und den Einkommensteuer-Bescheid mitsandte.

Der Knackpunkt: Ich wußte nicht, daß ein Selbständiger höhere Beiträge bezahlen muß, die korrekte Einschätzung erwarte ich natürlich von der Kasse. Ich habe kein Faible für das Thema Versicherungen, Rente usw., und das Thema Krankenkasse war damit, daß keine höhere Forderung kam, abgehakt. Ich schlußfolgerte sinngemäß, daß ich wohl unter irgendeiner Bemessungsgrenze läge.

Also hätte es die Kasse definitiv vor 2010 wissen können / müsse, daß ich als Selbständiger eigentlich Beiträge in Höhe von über 300 € zu zahlen habe. Auf dem Einkommensteuer-Bescheid steht ja fett, daß es sich um Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb handelt, außerdem weist allein die Tatsache einer Einkommensteuer auf einen Selbständigen hin.

Nur in den letzten beiden Jahren gab es keine Anfrage. Erst vor kurzem gab es wieder eine Vermögensanfrage, die ich beantwortete. Ob das diesmal ein anderes Formular war, der zum ersten Mal die Frage nach dem Status Selbständigkeit enthielt, weiß ich nicht, auf jeden Fall kreuzte ich es wahrheitsgemäß an. Dann gab es noch einen Anruf der Kasse, seit wann ich selbständig sei, und ich gab die „seit 2007“-Auskunft.

Nun will die Kasse nun rückwirkend vom 1.1.2010 bis jetzt die Differenz der Beiträge bezahlt bekommen, = ca. 4000 €, und legt dabei noch ein mir unverständliches Einkommen von 1600 € zugrunde.

Schock !

Kann sie sogar für 4 Jahre zurückfordern ? Oder weil die Verjährung nach Ablauf des Kalenderjahres gilt, sogar für real 5 Jahre ?

Meiner Meinung nach hat mich die Kasse fehlerhaft eingestuft und mir die Chance zum Krankenkassenwechsel . Wenn ich bereits vor 2010, also in 2007 oder 2008 gewußt hätte, daß ich satte 300 € und mehr zu bezahlen habe, dann hätte ich mich sofort um eine Alternative gekümmert. Bei dem Mindestbeitrag habe ich allerdings keinen Handlungsbedarf verspürt, weil ich dachte, viel billiger könnte es woanders auch nicht sein. Weil die Kasse den ´Fehler machte, habe ich sie nicht gewechselt. Denn bei einer Recherche, wie ich sie ja jetzt auch sofort begonnen habe, hätte ich ja schon damals herausgefunden, daß es z.B. bei privaten Krankenkassen die Option einer hohen Selbstbeteiligung besteht. Das ist sehr reizvoll für mich, der ich sehr gesund lebe und die Schulmedizin in der Regel, wenn überhaupt, sowieso nur höchstens zur Diagnose nutze, und nur Behandlung mit Naturheilkunde zulassen würde. Außerdem kenne mich sehr gut aus oder habe befreundete Heilpraktiker und Ärzte.

Noch besser: Dann hätte ich so wie jetzt herausgefunden, daß ich die Künstlersozialkasse in Anspruch nehmen kann, und dann hätte ich, wenn ich in meiner Kasse geblieben wäre, eben keine oder kaum höhere Beiträge zu zahlen gehabt. Und wenn ich die Kombination Private Krankenkasse mit hoher Selbstbeteiligung plus Künstlersozialkasse gewählt hätte, hätte ich sogar deutlich weniger gezahlt als meinen Mindestbeitrag.

Natürlich hätte ich dies auch so einfach machen können, aber wie gesagt der Begriff„Mindestbeitrag“ hat mich untätig bleiben lassen.

Und ich habe ja auch nicht vor, den Differenzbetrag nun von meiner Kasse zu fordern (wäre ja ein juristisch zumindest interessanter Ansatz, Erfolg versprechend = ??), aber ich sehe mich aufgrund der fehlerhaften Einstufung der Krankenkasse um die Möglichkeit gebracht, als Antwort auf eine korrekte Einstufung mit einem Wechsel reagiert haben zu können. (Könnte ja theoretisch auch ein cleverer Trick der Kasse sein, um an die Gelder von Mitgliedern zu kommen die ansonsten gewechselt hätten.)

Allein aus diesem Gedanken heraus empfinde ich die Nachforderung als unrechtmäßig.

Dann recherchierte im Netz und ein Anruf beim Bürgertelefon Krankenversicherung bei dem Bundesgesundheits-Ministerium (Tel. 01805-996602) bescherte mir eine freundliche sachkundige Auskunft, daß ich mir den Paragraphen 45 SGB 10 Absatz mal anschauen sollte.

Dort steht:
Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes
Absatz (2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,

2) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder

3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Absatz (3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden

Da nur von der Hand in den Mund lebe und ich die durch den Fehler der Kasse entstandene Differenz längst ausgegeben habe (Absatz 2 Satz 2), dürfte sie nach § 45 Absatz 2 gar nichts nachfordern. Sehe ich das richtig ?

Die Auschlussgründe für die Wirksamkeit von Absatz 2 Satz 1 und 2 treffen ja nicht zu. Oder habe ich etwa die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil ich nicht wußte, daß ein Selbständiger mehr zahlt als ein „normal Sterblicher“ ? Woher hätte ich das wissen sollen ? Ich sah ja keinen Anlaß für eine Recherche, vertraute auf die Sachkompetenz der Kasse, daß sie ihre eigenen Regeln und Beiträge kennen. Ich hatte und habe mehr als genug mit diversen inhaltlichen Themen zu tun als daß ich mich auch noch um alle Feinheiten kümmern könnte.

Gilt der § 45 überhaupt, wenn die Kasse keinen formellen Bescheid (Verwaltungsakt) gesendet hat ? Oder reicht die Nichtwerhöhung / Zustimmung zum Status quo bereits als Verwaltungsakt ?

Gibt es hier jemand, der das beurteilen kann ? Gibt es ähnliche Fälle ?

Sehe ich es richtig, daß ich mit beiden Argumentationen (die Verunmöglichung des Wechsels und § 45) Erfolg haben könnte, die Nachforderung zurückzuweisen ? Ist es richtig, daß allein aus der Nichtveränderung des Beitrages die Verunmöglichung des Krankenkassen-Wechsels resultiert und als Zurückweisungsgrund gelten könnte ?

Vielen Dank im Voraus...

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 18.12.2011, 20:58

Hallo,
so wie geschildert, ein klarer Verfahrensfehler der Kasse und auch der Beratungspflicht ist die Kasse nicht nachgekommen (Künstlersozialversicherung).
Ein rückwirkende Umstufung und eine entsprechende Nachforderung wird bei einem Klageverfahren nach meinem Dafürhalten kein Bestand haben - die Kasse wird das Ding verlieren - nur für die Zukunft kann eine Umstellung des Versicherungsverhältnisses erfolgen.
Deine Argumentation kann ich nachvollziehen - das würde ich mir nicht gefallen lassen und alle rechtlichen Wege dafür beschreiten.
Es ist zwar richtig, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, aber in diesem Fall kann man diesen Satz mit Sicherheit nicht gelten lassen.
Gruss
Czauderna

Lutz
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TK - Rückforderung von zuviel gezahltem Krankengeld

Beitrag von Lutz » 20.09.2012, 18:58

Hallo Karl Kraka!

Ich habe jetzt einen ähnlichen Fall vor mir und würde gerne mal wissen, wie Deine Rückforderung ausgegangen ist. Mußtest Du den Betrag zurückzahlen, oder hat Dich § 45 davor gerettet? Ich habe einen ähnlichen Fall: Meine TK hat mir "aus Versehen" zuviel Krankengeld gezahlt, obwohl sie mir ein offizielles Schreiben mit dem (falschen) Betrag hat zukommen lassen, stufen sie mich jetzt viel niedriger ein und fordern die Differenzsumme zurück. Ich fiel auch erstmal aus allen Wolken, zumal der Sachbearbeiter mir am Telefon ganz kleinlaut erzählte "wir wissen, es ist nicht Ihr verschulden. Sie haben mit der Fehlberechnung nichts zu tun. Der Fehler liegt eindeutig auf unserer Seite, bei einer unserer Sachbearbeiterinnen" (Zitat! denn ich habe alles genau mitgeschrieben). Jetzt wollen sie rund 8.000 Euro zuviel gezahltes Krankengeld (für das letzte Dreivierteljahr) zurück haben. Erstens habe ich ich es zum Erhalt meines Lebens ausgegeben, zweitens war ich ebenfalls "gutgläubig", drittens bin ich ebenfalls Freiberufler und habe jetzt nach der langen Krankheit vorläufig keine Einkünfte, muß mir also Geld leihen und viertens habe ich noch Altschulden im fünfstelligen Bereich.
Würde mich also sehr interessieren, wie Dein Fall ausgegangen ist.
Gruß
Lutz

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