Krankengeld MdK-Ende Widerspruch - Arbeitslosengeld bei AU?

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Moderator: Czauderna

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AndreaH
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Krankengeld MdK-Ende Widerspruch - Arbeitslosengeld bei AU?

Beitrag von AndreaH » 18.10.2013, 08:41

Liebes Expertenteam,
meine Schwester ist gnz verzweifelt, hab folgendes Problem:
Sie ist seit einem dreiviertel Jahr krankgeschrieben wegen schwere Depressionen. Jetzt hat ihr die Krankenkasse geschrieben, dass der medizinische Dienst festgestellt hat, dass sie wieder gesund ist und in einer Woche kein Krankengeld mehr gezahlt wird. Sie soll sich arbeitslos melden.
Der Arzt sagt, er hilft uns bei einem Einspruch.
Für den Einspruch muss sie aber ja auch wieder krank geschrieben sein (ihr Arzt steht auch voll hinter ihr, schreibt weiter einen Auszahlschein). Der Herr vom Arbeitsamt hat aber gesagt, wenn sie jetzt arbeitslos gemeldet ist und sich der Vermittlung zur Verfügung stellt und gleichzeitig aber wegen dem Einspruch krank geschrieben ist, dann kriegt sie kein Arbeitslosengeld, wenn die Krankenkasse unseren Einspruch ablehnt. Erst wenn sie wieder gesund ist.
Aber wie geht sie denn jetzt am besten vor? Einige Wochen ohne Geld, das geht nicht, sie muss ja Miete zahlen???

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 18.10.2013, 12:05

zunächst mal: deine Schwester kann nicht selbst beurteilen, ob sie arbeitsfähig oder arbeitsunfähig ist. Das können nur Ärzte, und die sind offensichtlich unterschiedlicher Meinung.

das sollte deine Schwester so auch dem Arbeitsamt sagen - und am besten das Schreiben der Krankenkasse mitnehmen. Den Antrag schriftlich stellen und die Frage nach der Arbeitsfähigkeit nicht beantworten.

und dann: bei der Krankenkasse eine Kopie des Gutachtens anfordern und schauen, was da genau drinnen steht.

eine Frage: wie wird deine Schwester behandelt? vom Hausarzt oder von einem Facharzt? was ist bislang passiert? wurde vielleicht schon eine Psychotherapie begonnen? wurde eine Reha beantragt? oder vielleicht auch Tagesklinik?

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 18.10.2013, 14:15

Der Einfachheit halber zitiere ich mal selbst (mit kleinen Änderungen)

Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen an den Begriff "Arbeitsunfähigkeit".

Da haben wir den Patienten/Versicherten, der sich nicht in der Lage sieht, zu arbeiten oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen. Er fühlt sich "arbeitsunfähig". Arbeitsunfähigkeit ist aber - hart ausgedrückt - nicht das, was der Patient/Versicherte fühlt, sondern etwas, das der Arzt feststellt und bescheinigt. Da kommt es dann schon zu den ersten Reibereien und dem Gefühl, dass die Kassenmitarbeiter (die sich am Begriff Arbeitsunfähigkeit laut Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien orientieren) und die Betroffenen (die sich "arbeitsunfähig" fühlen) nicht verstehen.

Wir haben nunmal ein System, in dem es um Richtlinien etc. geht. Und von daher macht es wenig Sinn, mit dem, nennen wir es mal "Betroffenheitsbegriff" zu operieren, da Kasse, Agentur für Arbeit, Arzt und MDK sich am Begriff laut Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien orientieren (müssen).

Wenden wir uns also dem Begriff Arbeitsunfähigkeit laut Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien zu:
§ 2 Definition und Bewertungsmaßstäbe
(1)
1 Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte auf Grund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann.
2 Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben.
3 Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn auf Grund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen.
(2)
1 Arbeitsunfähigkeit besteht auch während einer stufenweisen Wiederaufnahme der Arbeit fort, durch die dem Versicherten die dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben durch eine schrittweise Heranführung an die volle Arbeitsbelastung ermöglicht
werden soll.
2 Ebenso gilt die befristete Eingliederung eines arbeitsunfähigen Versicherten in eine Werkstatt für behinderte Menschen nicht als Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit.
3 Arbeitsunfähigkeit kann auch während einer Belastungserprobung und einer Arbeitstherapie bestehen.
(3)
1 Versicherte, die arbeitslos sind, ausgenommen Arbeitslose bzw. erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Absatz 3a, sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt haben.
2 Dabei ist es unerheblich, welcher Tätigkeit der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachging.
(3a) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende – „Hartz IV“) beantragt haben oder beziehen, sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.
(4)
1 Versicherte, bei denen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit das Beschäftigungsverhältnis endet und die aktuell keinen anerkannten Ausbildungsberuf ausgeübt haben (Anoder Ungelernte), sind nur dann arbeitsunfähig, wenn sie die letzte oder eine ähnliche Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung
ausüben können.
2 Die Krankenkasse informiert den Vertragsarzt über das Ende der
Beschäftigung und darüber, dass es sich um einen an- oder ungelernten Arbeitnehmer handelt, und nennt ähnlich geartete Tätigkeiten.
3 Beginnt während der Arbeitsunfähigkeit ein neues Beschäftigungsverhältnis, so beurteilt sich die Arbeitsunfähigkeit ab diesem Zeitpunkt nach dem Anforderungsprofil des neuen Arbeitsplatzes.
(5)
1 Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit setzt die Befragung des Versicherten durch den Arzt zur aktuell ausgeübten Tätigkeit und den damit verbundenen Anforderungen und Belastungen voraus.
2 Das Ergebnis der Befragung ist bei der Beurteilung von Grund und 4
Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien Stand: 18. April 2013 Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen.
3 Zwischen der Krankheit und der dadurch bedingten Unfähigkeit zur Fortsetzung der ausgeübten Tätigkeit muss ein kausaler Zusammenhang erkennbar sein.
4 Bei Arbeitslosen bezieht sich die Befragung des Versicherten auch auf den zeitlichen Umfang, für den der Versicherte sich der Agentur für
Arbeit zur Vermittlung zur Verfügung gestellt hat.

http://www.g-ba.de/downloads/62-492-726 ... -04-18.pdf
Jetzt geht es darum, wie mit dieser Entscheidung umgegangen werden kann oder muss. Wenn der Hausarzt einfach kommentarlos weiter "krankschreibt", ignoriert er die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien:
§ 7 Zusammenwirken mit anderen Einrichtungen
(1)
1 Der Arzt übermittelt dem Medizinischen Dienst auf Anfrage in der Regel innerhalb von drei Werktagen die Auskünfte und krankheitsspezifischen Unterlagen, die dieser im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt.
2 Sofern vertraglich für diese Auskunftserteilung Vordrucke vereinbart worden sind, sind diese zu verwenden.
(2)
1 Das Gutachten des Medizinischen Dienstes ist grundsätzlich verbindlich.
2 Bestehen zwischen dem Vertragsarzt und dem Medizinischen Dienst Meinungsverschiedenheiten, kann der Vertragsarzt unter schriftlicher Darlegung seiner Gründe bei der Krankenkasse eine erneute Entscheidung auf der Basis eines Zweitgutachtens beantragen.
3 Sofern der Vertragsarzt von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, hat er diesen Antrag unverzüglich nach Kenntnisnahme der abweichenden Beurteilung des Medizinischen Dienstes zu stellen.
Momentan ist das Gutachten des MDK verbindlich und bindend.

Davon unabhängig hat deine Schwester die Möglichkeit, gegen die Entscheidung der Kasse (Einstellung des Krankengeldes aufgrund des MDK-Gutachtens) Widerspruch einzulegen. Gegen die medizinische Einschätzung kann aber nur ein Arzt angehen, was heißt, dass ohne Unterstützung des Arztes die "Arbeitsfähigkeit" (laut Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien) bestehen bleibt. Ggf. gäbe es einen Ansatzpunkt wie das anscheinend nach Aktenlage erstellte Gutachten, aber eine Entscheidung darüber dauert wesentlich länger und ist schwerer zu erreichen, als wenn der Arzt einfach bei der Kasse ein Zweitgutachten (das nach meiner Erfahrung dann nach persönlicher Begutachtung erstellt wird) beantragt.

Deine Schwester geht zur Agentur für Arbeit. Laut Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien ist er/sie arbeitsfähig. Die weitere Krankschreibung des Arztes hat keinerlei rechtliche Relevanz. Hier sollte die Agentur für Arbeit über die unterschiedliche Einschätzung von Versichertem, Arzt und MDK informiert werden, damit sie einen Erstattungsanspruch bei der Krankenkasse anmelden kann. Was jedoch nicht geht, ist den Antrag nicht anzunehmen, da der Versicherte sich arbeitsunfähig "fühlt" (überspitzt ausgedrückt zur Verdeutlichung des Unterschiedes). Schließlich verlangt die Agentur ja auch zur Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes bei Krankheit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und verlässt sich nicht auf die Aussage des Versicherten, er sei arbeitsunfähig.

Meine Tipps zum weiteren Vorgehen:

1. Beim Arzt vorsprechen, auf die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien verweisen und fragen, ob er bei der Kasse einen Antrag auf ein Zweitgutachten stellt. Wenn nicht, sehe ich wenig Chancen.

2. Wenn der Arzt den Antrag auf Zweitgutachten stellt, wieder zur Agentur für Arbeit gehen und mit dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit laut Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien argumentieren, Arbeitslosengeld beantragen und in dem Fall, dass sie sofort einen neuen Arbeitsplatz vermitteln, zumindest einen Arbeitsversuch starten.

KKA
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Beitrag von KKA » 18.10.2013, 15:43

@ AndreaH

Für den Zeitraum des Widerspruchverfahrens erhält deine Schwester keine Leistungsbezüge, weder von der Kasse, noch von der AA. Während die Krankenkasse sich auf das Gutachten ('arbeitsfähig') des von der Kasse beauftragten MDK beruft und aufgrund dessen die Leistungszahlung einstellt, bezieht sich die AA auf GA 1.2 Abs. 2 zu § 156 SGB III und § 138 Abs. I SGB III und verweigert die Leistung.

Ich vermute, dass der MDK deine Schwester 'nach Aktenlage' gesund geschrieben hat. Das ist bei psychischen Erkrankungen nicht zulässig.

Wie GKV schrieb, der behandelnde (Fach???)Arzt muss den Widerspruch mittels Gegengutachten bzw. Anforderung eines Zweitgutachtens, auf jeden Fall begleiten.

Solltest du weitere Details benötigen (Widerspruch Text, § usw.), gerne per PN. Ich befand mich in ähnlicher Situation und teile meine Erfahrungen bzw. Erfahrenswerte gerne.

PS. Steht deine Schwester noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis?

Gruss
KKA

Carola
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Beitrag von Carola » 18.10.2013, 16:22

Nein KKA,
§156 trifft es nicht da kein Anspruch auf Krankengeld besteht laut Krankenkasse, begutachtet und bestätigt durch MDK.
§ 138 Abs. I SGB III ? auf welchen absatz wollen sie sich berufen ?
lg
ps: wenn du deine Texte nicht via PN versenden würdest hätten spätere Nutzer besimmt auch was davon.

KKA
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Beitrag von KKA » 18.10.2013, 17:55

Carola hat geschrieben:Nein KKA,
§156 trifft es nicht da kein Anspruch auf Krankengeld besteht laut Krankenkasse, begutachtet und bestätigt durch MDK.
§ 138 Abs. I SGB III ? auf welchen absatz wollen sie sich berufen ?
lg
ps: wenn du deine Texte nicht via PN versenden würdest hätten spätere Nutzer besimmt auch was davon.
Hallo Carola,

das AA hat sich in meinem Fall genau auf diese §§ bezogen. Das ist ja der Verschiebebahnhof... KK/MDK schreibt dich gesund, AA bezieht sich auf 156 sagt, ich hätte Krankengeldanspruch (da ich UND mein Arzt im Widerspruch stehen)...so die Auslegung - und etwas anderes ist es ja nicht - von der AA. Liegt mir schriftlich vor.

138 = Abs. 3 = Verfügbarkeit und die liegt lt. AA nicht vor.....trotz MDK Gutachten.

Eine gute Bekannte von mir hatte sich der AA vollschichtig arbeitsfähig gemeldet, trotz weiter bestehender Krankheit und nachdem der MDK sie per Aktenlage gesund schrieb. Kein Problem, ALGI wurde bezahlt, allerdings mit dem vorhersehbaren Ergebnis, dass sie infolge etlicher Jobangebote von der AA diese zu bewerben hatte und daraufhin noch kranker wurde. Resultat: ALG I nach 6 Monaten eingestellt, kein Anspruch auf Krankengeld (Blockfrist > gleiche Krankheit)...

Die Frau ist 32 Jahre jung. Perspektive: finanzieller Ruin.

PS. Meine Texte sind hier bereits eingestellt.....z.b. in Dudas Fall...

Gruss
KKA

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 18.10.2013, 20:34

@ GKV: wir wissen bislang nicht, ob der Hausarzt oder ein Facharzt die AU ausgestellt hat. Wir wissen auch nicht, ob es überhaupt ein Gutachten des MDK existiert - oder ob die AU nach Aktenlage beurteilt wurde. Wir wissen auch nicht, welche Behandlungen bislang durchgeführt wurden. Daher sind deine Aussagen nach meiner Meinung sehr gewagt...
Wenn der Hausarzt einfach kommentarlos weiter "krankschreibt", ignoriert er die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien:
Momentan ist das Gutachten des MDK verbindlich und bindend.
also:
Widerspruch einlegen, Arzt mit an Bord nehmen, beim Arbeitsamt parallel Leistungen beantragen

vielleicht solltest du in diesem Zusammenhang auch auf den § 86 SGB X hinweisen:
Die Leistungsträger [....] sind verpflichtet, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetzbuch eng zusammenzuarbeiten.

AndreaH
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Beitrag von AndreaH » 18.10.2013, 21:16

Erst mal vielen Dank für die ausführlichen Antworten.
Also, sie wurde nicht persönlich vom MdK untersucht, das Schreiben der Krankenkasse kam einfach so.
Sie ist auch nicht mehr im Job, ist gekündigt. Krankgeschrieben vom Psychiater, nicht Hausarzt. Arzt steht hinter ihr (sie ist wirklich sehr krank).

o.k., wir werden das so machen, Widerspruch, Zweitgutachten beantragen, beim Arbeitsamt Leistungen beantragen.

Wenn das mit dem Zweitgutachten dauert, und die Kasse dann doch bei der "Gesundschreibung" bleibt, dann kriegt sie also - obwohl der Arzt sie doch während dem Widerspruch krank schreiben muss (oder habe ich das falsch verstanden???) - Arbeitslosengeld?

Viele Grüße,
Andrea

Poet
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Beitrag von Poet » 18.10.2013, 21:31

@Andrea: Tipp->Schreibt in den Widerspruch unbedingt mit rein, dass sie auf eine persönliche Begutachtung besteht und Einsicht in das MdK-Gutachten haben möchte.

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