Nachversicherungspflicht bei Arbeitslosigkeit - 1. Monat

Fragen zu einzelnen Krankenkassen

Moderator: Czauderna

Antworten
canard
Beiträge: 2
Registriert: 01.03.2017, 13:59

Nachversicherungspflicht bei Arbeitslosigkeit - 1. Monat

Beitrag von canard » 01.03.2017, 17:14

Hallo zusammen,

Ich habe zum 31.07.16 mein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und mich auch beim Arbeitsamt gemeldet (Sperrfrist 12 Wochen). Das Arbeitsamt hat mir erklärt, dass ab dem 2. Monat (also 01.09.16) die Kosten für Krankenversicherung übernommen werden.

Meiner Krankenkasse habe ich auch direkt Bescheid gesagt, und diese hat mir erklärt, dass ich mich für den 1. Monat (01.08. bis 31.08.16) freiwillig versichern lassen müsste. Ich habe nicht weiter nachgefragt, Antrag dann (dummerweise?) auf Basis dieser Information gestellt und unterschrieben. Jetzt musste ich erfahren, dass für meine Krankenkasse eine "Nachversicherungspflicht" für den 1. Monat besteht.
Gute Details habe ich unter anderem in diesem Forumsbeitrag gefunden: http://www.krankenkassenforum.de/nachve ... t8438.html

Wie gehe ich am besten vor, um für den 1. Monat meine gezahlten Beiträge zurück erstattet zu bekommen?

Danke vielmals!

Rossi
Beiträge: 2073
Registriert: 16.12.2007, 14:41

Beitrag von Rossi » 01.03.2017, 18:28

Puh, jenes ist aber unglücklich gelaufen. Du hast den Beitritt erklärt und damit entsteht auch ein Beitragsanspruch. Heute kann man so ohne weiteres den Beitritt nicht rückgängig machen.

Du hast allenfalls eine Chance über den sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.

Tja, was ist denn der sozialrechtliche Herstellungsanspruch überhaupt?!

Zitat:
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch findet sich in keinem Paragrafen und ist in keinem Gesetz konkret geregelt. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut tritt - iS des öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Leistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können. Zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil für den Betroffenen muss demnach ein ursächlicher Zusammenhang bestehen; auf ein Verschulden des Versicherungsträgers kommt es dagegen nicht an (Definition in den BSG Urteilen 8 RKn 7/88 vom 14.11.89 und B 5 RJ 50/98 R vom 5.4.2000). Dabei muss sich eine Behörde auch einen Beratungsfehler einer anderen Behörde zurechnen lassen. Denn nach der Funktion des Herstellungsanspruchs kommt es nicht darauf an, welche im Verwaltungsablauf eingeschaltete Stelle Pflichten gegenüber dem Versicherten verletzt hat.

27.1 Voraussetzungen zusammengefasst

Nach der Rechtsprechung des BSG (u.a. BSG vom 01.04.2001, AZ: B 7 AL 52/03 R) hat der sozialrechtliche Herstellungsanspruch folgende Voraussetzungen:

- Der Sozialleistungsträger verletzt eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung,

-zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen (Schaden) besteht ein ursächlicher Zusammenhang,

- der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil muss durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können und

- die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen.

Wenn diese Voraussetzungen vorliegen hat der Sozialleistungeträger dem Berechtigten die Rechtsposition einzuräumen, die er gehabt hätte, wenn von Anfang an ordnungsgemäß verfahren worden wäre.

Okay; die Kasse hat Dich damals wohl beraten, allerdings falsch. Denn es wurde nicht berücksichtigt, dass ein nachgehender Leistungsanspruch besteht und deswegen eine freiw. Krankenversicherung nicht unbedingt erforderlich ist.

Dadurch ist Dir ggf. ein Schaden entstanden?!

Im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches könnte man jetzt versuchen die sog. Uhren wieder zurückzudrehen. D.h., es wird Dir jetzt noch einmal erklärt, dass ein nachgehender Leistungsanspruch besteht und deswegen eine Beitrittsanzeige zur freiw. Krankenversicherung nicht erforderlich ist.

Dann kannst Du heute in der Rückschau betrachten und entscheiden, ob die dennoch die Beitrittsanzeige unterschreiben würdest oder lieben den nachgehenden Leistungsanspruch geltend machst.

Allerdings kann der nachgehende Leistungsanspruch auch Nachteile haben, bpsw. bei der KVdR, wenn es dort um Vorversicherungszeiten geht.

Ob die Kasse überhaupt auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch eingeht, na ja, da bin ich mir nicht so sicher!!!

Joebo
Beiträge: 108
Registriert: 19.11.2010, 17:25

Beitrag von Joebo » 01.03.2017, 20:03

Ich denke nicht, dass die Kasse sich querstellen wird. Berichte doch mal, wie es ausgegangen ist.

D-S-E
Beiträge: 446
Registriert: 14.12.2015, 20:27

Beitrag von D-S-E » 01.03.2017, 20:12

Ich denke auch nicht, dass sich die Kasse querstellt - wenn doch, sehe ich in dem Ansatz der Fehlberatung kaum Chancen. So etwas wird von Kunden auch oft erzählt, wenn etwas missverstanden wurde. Dann müsstest du es schon nachweisen können.

Rossi
Beiträge: 2073
Registriert: 16.12.2007, 14:41

Beitrag von Rossi » 02.03.2017, 11:03

Hm D-S-E

Zitat:
wenn doch, sehe ich in dem Ansatz der Fehlberatung kaum Chancen. So etwas wird von Kunden auch oft erzählt, wenn etwas missverstanden wurde. Dann müsstest du es schon nachweisen können.

In welchem Gesetz oder § ist das denn geregelt, dass der Kunde etwas nachweisen muss.

Die Sozialgerichte zumindest ermitteln den Sachverhalt selber und entscheiden dann nach objektiver Lage.

canard
Beiträge: 2
Registriert: 01.03.2017, 13:59

Beitrag von canard » 02.03.2017, 14:52

Danke @Rossi für die ausführliche Info. Ich werde mit der Krankenkasse nächste Woche sprechen. Vielleicht stellen die sich auch überhaupt nicht quer; versuchen kann man's ja mal mit dem Aufschwatzen der freiwilligen Versicherung ;)

Rossi
Beiträge: 2073
Registriert: 16.12.2007, 14:41

Beitrag von Rossi » 02.03.2017, 17:49

Dann bin ich mal gespannt.

Falls die Kasse zicken sollte; ich habe ein wunderschöne Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg. Das Ding`n bzw. der Sachverhalt ist der Hammer, was Beratung und Aufklärung angeht.

Antworten