Rückwirkende Versicherungsleistungen nach Zahlungsverzug

Fragen zu einzelnen Krankenkassen

Moderator: Czauderna

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Quaid
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Rückwirkende Versicherungsleistungen nach Zahlungsverzug

Beitrag von Quaid » 30.08.2017, 14:52

Hi Leute,

ich bin Student bei der AOK und muss den vollen Krankenkassenbeitrag zahlen da ich über 30 bin. Da ich nur in den Semesterferien ausreichend arbeiten kann, um die Beiträge zu bezahlen, kommt es während der Vorlesungszeit immer wieder zum Zahlungsrückstand.
Ich habe vor einigen Monaten eine Therapie begonnen und die AOK stellte gegen Ende der Vorlesungszeit die Leistungen auf Grund des Rückstandes ein. Da ich den Brief mit dieser Information nie erhalten habe, bin ich weiter zu den Sitzungen gegangen.
Ich soll jetzt aber meinen Rückstand begleichen (was auch gerade kein Problem ist), werde aber nicht rückwirkend versichert und muss die Therapiesitzungen auch aus eigener Tasche bezahlen.
Zusammenfassend: Ich muss also die Beiträge rückwirkend leisten, werde aber nicht rückwirkend versichert. Wofür zahle ich dann die Beiträge nach? Gibt es da einen We g raus?

Dank im Voruas und Gruß

Rossi
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Beitrag von Rossi » 30.08.2017, 15:53

Ja, es gibt einen Weg.

Denn für das sog. Ruhen bei Beitragsrückständen ist ein ganz bestimmtes Verfahren vorgesehen.

Zitat § 16 Abs. 3a SGB V:


3a) Der Anspruch auf Leistungen für nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherte, die mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen, ruht nach näherer Bestimmung des § 16 Abs. 2 des Künstlersozialversicherungsgesetzes.

Satz 1 gilt entsprechend für Mitglieder nach den Vorschriften dieses Buches, die mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen, ausgenommen sind Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach den §§ 25 und 26 und Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind;

In § 16 Abs. 2 des Künstlersozialversicherungsgesetz ist das nähere Verfahren beschrieben.

Zitat:

(2) Ist der Versicherte mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand, hat ihn die Künstlersozialkasse zu mahnen.

Ist der Rückstand zwei Wochen nach Zugang der Mahnung noch höher als der Beitragsanteil für einen Monat, stellt die Künstlersozialkasse das Ruhen der Leistungen fest; das Ruhen tritt drei Tage nach Zugang des Bescheides beim Versicherten ein.

Voraussetzung ist, daß der Versicherte in der Mahnung nach Satz 1 auf diese Folge hingewiesen worden ist


Wenn Du weder diese Mahnung noch den Ruhensbescheid der Kasse bekommen hast, dann kann auch nichts Ruhen.

Die Kasse muss im Zweifel beweisen, dass Du diesen Bescheid bekommen hast. Einfach nur zur Post aufgeben reicht nicht aus. Einige Kassen in Deutschland stellen das Ruhen teilweise mit einer Postzustellungsurkunde (amtlicher Nachweis über die Bekanntgabe) fest. Jenes hat schon seinen Grund.

Quaid
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Beitrag von Quaid » 31.08.2017, 08:30

Danke für die Antwort.
Ich habe allerdings ein paar Fragen, da ich nicht ganz verstanden habe, was im konkreten meine Möglichkeit ist:

1. Worauf bzw auf wen bezieht sich Künstlersozialversicherungsgesetz? Ich bin vollwertiger Student und arbeite nebenbei auf Werkstudentenbasis. Gelte ich dann als Künstler?

2. Ich kann mich tatsächlich an keinen Ruhensbescheid erinnern. Ich erfuhr das erst gestern (1,5 Monate später) von meiner Therapeutuin, die gerade aus dem Urlaub zurückgekommen war. Ich habe mittlerweile einen Großteil meines Rückstandes bezahlt, sodass jetzt nur noch rund 100 € fehlen. Also weniger als ein Monatsbeitrag und nicht zwei Monatsbeiträge. Die Rückstand ist also bereits so gut wie bezahlt. Ist das ein Hindernis?

3. Soll ich der AOK einfach in einem Brief mitteilen, dass ich über das Ruhen der Leistungen nicht informiert wurde und um die rückwirkende Leistungserbringung bitten bzw. sie einfordern in dem ich auf den von dir genannten Paragrafen verweise?

Danke für die Hilfe

Rossi
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Beitrag von Rossi » 31.08.2017, 20:17

In dem Künstlersozialversicherungsgesetz gibt es schon seit Jahren Regelungen bei Beitragsrückständen.

Daran hat der Gesetzgeber zum 01.04.2007 einfach alle Versicherten, egal ob Student oder freiwillig versichert, angedockt.

D.h., dass dort vorgeschriebene Verfahren ist einzuhalten. Das Ruhen bei Beitragsrückständen setzt eben voraus, dass Dir dies auch bekanntgegeben wird. Denn nur dann kann es wirksam werden. Jenes ist offensichtlich bei Dir nicht der Fall.

Dem Grunde genommen müsste die Kasse jetzt das offizielle Verfahren durchführen. Dies scheitert aber daran, dass nur noch Rückstände in Höhe von weniger als 1 Monat bestehen. Will heißen, das Ruhen kann nicht mehr festgestellt werden.

Tja, jetzt musst Du dies allerdings noch in die Praxis umsetzen.

Guckst Du hier:

Insofern kann z. B. auch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum „Nichtzugang“ eine Briefes verwiesen werden. Danach reicht sogar „einfaches Bestreiten“, da es im Regelfall schon aus logischen Gründen nicht möglich ist, näher darzulegen, ein per einfachem Brief übersandtes Schreiben sei nicht zugegangen (vgl. Entscheidung vom 26. Juli 2007, B 13 R 4/06 R):

[19] Auch wenn nach der Lebenserfahrung die weitaus größte Anzahl der abgesandten Briefe beim Empfänger ankommt, ist damit lediglich eine mehr oder minder hohe Wahrscheinlichkeit für den Zugang einer Briefsendung gegeben. Der Anscheinsbeweis ist aber nicht schon dann geführt, wenn zwei verschiedene Möglichkeiten eines Geschehensablaufs in Betracht zu ziehen sind, von denen die eine wahrscheinlicher ist als die andere (BGH vom 27.5.1957, BGHZ 24, 308, 312). Denn die volle Überzeugung des Gerichts vom Zugang lässt sich auf eine – wenn auch große – Wahrscheinlichkeit nicht gründen (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66, 71).

[20] Diese Regeln gelten unabhängig davon, ob das übersandte Schriftstück einen Verwaltungsakt enthält und somit die Bestimmung des § 37 Abs 2 SGB X (oder eine der Parallelvorschriften des § 41 Abs 2 Verwaltungsverfahrensgesetz bzw § 122 Abs 2 Abgabenordnung) unmittelbar anwendbar ist. Hiernach gilt die Fiktion, ein schriftlicher Verwaltungsakt sei am dritten Tage nach der Abgabe zur Post bekannt gegeben, nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang und seinen Zeitpunkt nachzuweisen. In diesem Sinne aber bestehen schon dann „Zweifel“, wenn der Adressat den Zugang – schlicht – bestreitet (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66, 71) . Im Ergebnis nichts anderes gilt jedoch in anderen Rechtsbereichen; auch im Zivilrecht zB hat der Erklärende (bzw jener, der sich hierauf beruft) den Zugang einer Erklärung zu beweisen (so zB zur Mängelanzeige nach § 377 Handelsgesetzbuch: BGH vom 13.5.1987, BGHZ 101, 49, 55; dort auch dazu, dass eine Mängel“anzeige“ empfangsbedürftig ist).




Vielleicht versuchst Du erst einmal mit der Kasse zu sprechen. Denn Leute, die miteinander reden, denen kann man überwiegend helfen.

Ansonsten wirst Du vermutlich einen Rechtsanwalt einschalten müssen.

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