5 (1) Nr. 13 SGB V vs Hilfe zur Gesundheit vom Sozialamt

Fragen zu einzelnen Krankenkassen

Moderator: Czauderna

Rossi
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Beitrag von Rossi » 17.10.2016, 16:29

Hm GKV

Zitat:
Es geht überhaupt nicht um den § 264 SGB V, sondern um die anderweitige Absicherung über den SHT.

Verstehe ich jetzt nicht. Es ist alles ganz genau in § 5 Abs. 8a Satz 2 und 3 sowie § 186 Abs. 11 und § 190 Abs. 13 SGB V geregelt. Soll dieser auch im Rahmen eines Wunschdenkens missachtet werden?!

Joebo
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Beitrag von Joebo » 17.10.2016, 17:18

Naja, ich kenne es aus der Praxis so, dass seitens des SHT kein Antrag mit dem Hilfebedürftigen aufgenommen wird bzw. der Bewilligungsbescheid solange rausgezögert wird, damit der Fall der anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nicht eintritt. Bei lfd. Leistungsbezug wäre die Kasse ja raus. Verstehe nur nicht, dass Hilfebedürftigen in die Schuldenfalle geschickt werden, nur um nicht die Behandlungskosten übernehmen zu müssen. Widerspricht einfache meinem Grundverständnis der Aufgaben eines Sozialamtes.

Muss der SHT nicht von Amts wegen leisten, wenn sie von der Hilfebedürftigkeit einer Person erfährt? Gilt dieser Grundsatz nur für bestimmte Leistungen?

Rossi
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Beitrag von Rossi » 17.10.2016, 20:56

Nun ja, jenes bringt doch eh nix für den SH-Träger (Bescheid zurückhalten). Denn beim Eintritt der Versicherungspflicht kommt es nicht auf das Bescheiddatum des SH-Trägers an, sondern einzig und allein, ab wann der SH-Träger die Leistungen ggf. auch rückwirkdend bewilligt hat. Dies hat das BSG schon in 2010 entschieden.

Der Nachrang der Sozialhilfe ist das A und O. Sozialhilfe erhält nicht, wer sich seber helfen kann bzw. die Hilfe von einem Anderen erhalten kann.

Zum Nachrang der Sozialhilfe gibt es zig Urteile. Ein Urteil ist sogar ganz klasse. Ein SH-Empfänger war rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe veurteilt. Er wurde zum Strafantritt eingeladen, tja er ist aber dieser Einladung nicht gefolgt. Der SH-Träger hat dann einfach die Sozialhilfe eingetellt mit dem Hinweis, dass er sich selber hinsichtlich des Lebensunterhaltes in der JVA helfen kann. Der Kunde ist gegen diese Eistellung vor´s Gericht marschiert. Leider ohne Erfolg; der SH-Träger hat rechtsmäßig (Selbsthilfemöglichkeit in der JVA) die Sozialhilfe eingestellt. So viel zum Thema Nachrang.

GKV kann sich gerne mit der Materie näher beschäftigen und am besten den SpiBu einschalten. Mal sehen, was dabei rauskommt.

Ich bleibe jedoch dabei; der Kunde hat sich im Rahmen der Nachranigkeit vorrangig an die Kasse zu wenden. Die daraus resultierenden Beitragsrückstände hat der Gesetzgeber sehrwohl erkannt und besondere Regelungen für diesen Personenkreis in § 16 Abs. 3a SGB V geschaffen. Bei diesen Personen passiert nichts. Ich hatte mal einen Kunden mit über 60.000 € Beitragsrückstand, dort ist auch nix passiert. So ist das Gesetz!!

Lighthouse
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Beitrag von Lighthouse » 18.10.2016, 08:19

Moin, Moin,

mir erscheint diese Diskussion völlig sinnlos. Ein Nichtversicherter, aus welchen Gründen auch immer, hat psychische Schwierigkeiten mit der Situation Schulden zu haben.

Die Schwierigkeiten wird ihn niemand nehmen können und es ist und bleibt seine Angelegenheit sich in irgendeiner Weise zu helfen um damit klarzukommen.

Ihm wird nichts anderes über bleiben, als sich in einer Krankenkasse anzumelden. Ob diese dann die richtige ist sei dahin gestellt. Da er Zeit seines Lebens niemals die aufgelaufenen Beitragsschulden bezahlen kann und er nicht pfändbar ist geht die Geschichte aus wie das Hornberger Schießen. Ergo muss er sich seinem "Angstproblem" stellen.

LG Rolf

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 18.10.2016, 15:55

Lighthouse hat geschrieben:Moin, Moin,

mir erscheint diese Diskussion völlig sinnlos.
Für mich ist das eine abstrakte Diskussion, bei der wertneutral alle Seiten beleuchtet werden. Die zentrale Frage lautet meiner Meinung nach: Darf das Sozialamt im Rahmen der Mitwirkung jemanden dazu zwingen, sich zu verschulden. Oder darf der Antragsteller einfach keine Angaben ("weiß ich nicht") machen, um der Schuldenfalle zu entgehen. Diese Frage lässt sich m. E. nur gerichtlich klären, so eindeutig, wie Rossi die Situation anfangs darstellte, erscheint sie mir nicht.

Erschreckend finde ich, dass allgemein davon ausgegangen wird, dass der fiktive Obdachlose in der Sozialamtsfalle bleiben wird und ihm anscheinend niemand zutraut, irgendwann wieder für sich selbst zu sorgen und er dann ein Interesse daran hat, schuldenfrei zu starten.

Rossi
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Beitrag von Rossi » 18.10.2016, 18:31

Nun ja, das Sozialamt wird den Kunden nicht zwingen.

Der Kunde beantragt bspw. Hilfe zum Lebensunterhalt (III. Kapitel) und gleichzeitig die Krankenhilfe bzw. die Betreuung nach § 264 SGB XII.

Die Hilfe zum Lebensunterhalt bekommt er selbstverständlich, denn er soll ja nicht verhungern. Hinsichtlich der Krankenhilfe bzw. der Betreuung wird der Kunde aufgefordert sich an die Krankenkasse zu wenden. Dies aus Gründen der Nachrangigkeit und der MItwirkung. Vermeintlich Rückstände sind hier überhaupt nicht schädllich, denn es passiert dem Kunde nichts. Dies hat der Gesetzgeber nämlich erkannt, in dem noch nicht einmal das Ruhen gem. 16 Abs. 3a SGB V eintritt. Wenn er damit immer noch nicht klar kommt, dann lehne ich dies sogar rechtsmittelfähig ab. Krankenhilfe gewähre ich dennoch nicht. Wenn er zum Arzt muss oder will, dann hat der Kunde ein Problem, nicht der Sozialhilfeträger.

Der Kunde kann mich dann gerne als Sozialhilfeträger verklagen und auf seine psychische Belastung hinweisen. Im Rahmen des Klagerfahrens beantrage ich gem. § 75 SGG die Beiladung der Kasse. Spätestens im Klageverfahren muss das Sozialgericht den Sachverhalt ermitteln und feststellen, dass er zum Personenkreis nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zählt. Ein Richter wird mit Sicherheit nicht auf diesen schwurbeligen Anzeigebogen herumreiten, sondern die Rechtsprechung des obersten Gericht (BSG) und der einschlägigen Literatur.

Wie dann die Entscheidung ausgeht, dürfe klar sein, wenn man Gesetze lesen kann; Richter können dies, da bleibe ich ganz ruhig. Denn diese Pflichtversicherung ist keine "Kann- bzw. Sollversicherung". Ist ist eine völlig vom Gesetz gebundene Versicherung, wenn die Voraussetzugen vorliegen. Härtevorschrifen gibt es dort auch nicht.

Kein Problem GKV; schnappe Dir so einen Fall und weise ggf. darauf hin, dass der Sozialhilfeträger dies nicht ablehnen bzw. fordern darf und ziehe damit los. Passe aber bitte auf, dass dir das Sozialgericht nicht noch ggf. zu den normalen Kosten, wenn man verdonnert wird, zusätzlich sog. Mutwillenskosten für willkürliche Verfahren aufbrummen kann. Diesen Hinweis würde ich mit Sicherheit im Rahmen eines Gerichtsverfahrens einbringen. Natürlich bekommst du bzw. das Sozialgericht von mir im Vorfeld alle nötigen Daten um eindeutig die Vericherungspflicht feststellen zu können, natürlich nicht den Anzeigebogen, den braucht ja nicht.

Sollte sich der Kunde weigern, überhaupt keine Auskünfte zu erteilen, so bin ich mir auch ziemlich sicher, dass sich ein Richter hierauf nicht einlassen wird.

Also mache es oder schalte den SpiBu ein, wir werden dann sehen.

Alles andere bringt uns hier nicht weiter!!!!

vlac
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Beitrag von vlac » 18.10.2016, 19:11

Hallo,

man muss hier zunächst einmal festhalten, dass es verschiedene Sozialleistungen gibt, von denen die Sozialhilfe, sowie die hier besprochenen Gesundheitsleistungen nur ein Teil sind. Viele der Leistungen werden nur auf Antrag gewährt, und der Antragsteller muss alle Angaben machen, die zur Bearbeitung des Antrages erforderlich sind. Sozialhilfe hingegen ist der Theorie nach zu gewähren, wenn der Sozialhilfeträger von der Notlage erfährt, doch auch hier müssen Angaben gemacht werden, die es dem SHT ermöglichen, das tatsächliche Vorliegen der Notlage, und damit der Anspruchvoraussetzungen zu prüfen, darüber hinaus müssen, bevor die Sozialhilfe eintritt, alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft worden sein - ganz gleich, ob es um Geld, oder um die Krankenkasse geht.

Der nächste Punkt ist die Definition der Begriffe "Hilfebedürftigkeit" und "Notlage" im Sozialrecht. Beides existiert stets im Heute, nicht in der Zukunft. Man schaut sich an, wie hoch der Bedarf des Betroffenen ist, und was an anrechenbaren Geldbeträgen tatsächlich zur Verfügung steht. Schulden mindern diese Beträge nur, und auch nur dann, wenn sie dafür sorgen, dass auf Einnahmen nicht zugegriffen werden kann. Dies ist in aller Regel nur dann der Fall, wenn Lohn oder Konto gepfändet sind, und trotz höherer Einnahmen nur auf Beträge innerhalb des jeweiligen Pfändungsfreibetrages verfügt werden kann. Werden aber aus einem Einkommen unterhalb des Freibetrages Raten geleistet, wird das nicht berücksichtigt, und das auch dann nicht, wenn in der Zukunft eine Lohn- oder Kontopfändung kommen könnte. Es obliegt in diesem Fall dem Betroffenen vielmehr, sich schuldenrechtlich beraten zu lassen, und die notwendigen Schritte einzuleiten.

Die direkte oder indirekte Übernahme von Schulden, oder ihre Vermeidung sind bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit ebenfalls nicht möglich, und das schon gar nicht, wenn dem gesetzliche Regelungen entgegen stehen.

Der Gesetzgeber in seiner unendlichen Weisheit hat entschieden, dass eine allgemeine Versicherungspflicht besteht. Und er hat beschlossen, dass die Gesundheitsleistungen der Sozialhilfe dem gegenüber nachrangig sind. Der SHT kann also nicht einfach hingehen, und sagen, dass letztgenannte Leistungen bewilligt werden, obwohl er weiß oder vermutet, dass eine Versicherungspflicht besteht, damit der Antragsteller die Schulden umgehen kann, zumal diese Schulden zunächst einmal keine Auswirkungen auf die Hilfebedürftigkeit haben, und im Extremfall auch durch schuldenrechtliche Maßnahmen kontrolliert und unter Umständen beseitigt werden können.

Hinzu kommt aus meiner Sicht: So wie ohne Meldung keine Versicherungspflicht in der GKV fest gestellt werden kann, kann der SHT ohne, dass feststeht, dass die Anspruchvoraussetzungen für die Gesundheitsleistungen erfüllt sind, diese Leistungen nicht bewilligen.

In dem Moment, in dem ein Betroffener geltend macht, dass er die Angaben zur Krankenversicherung nicht machen möchte, und als Grund dafür die dräuenden Schulden anführt, weiß der SHT bereits, dass mit großer Wahrscheinlichkeit ein Anspruch in der GKV besteht. Wenn der Betroffene sagt, dass er es nicht weiß, werden wohl in aller Regel Fragen gestellt - also beispielsweise, wann er das letzte Mal beim Arzt war, und wer da gezahlt hat, und / oder wie das beim allerletzten Arbeitgeber gelaufen ist.

Ich bin in diesem Zusammenhang auch versucht zu sagen: "Wir sind hier nicht beim Glücksrad"; was würde Person B, die die Frage wahrheitsgemäß und ausführlich beantwortet hat, und dementsprechend Post von der Krankenkasse bekommen hat, wenn sie Person A, dem Antwortsverweigerer, begegnet, und erfährt, dass er geschafft hat, die Schulden zu umgehen?

heinrich
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Beitrag von heinrich » 18.10.2016, 21:40

als die Frage von Joebo kam, wusste ich, dass "er"

(ich gehe mal von er = männlich aus, ich gehe weiter davon aus , dass Joebo ein junger unter 30jähriger Mitarbeiter einer kleinen KK, wohl BKK ist, der sehr angagiert ist, und einen größeren Teil des Beitragsbereichs abdecken muss-----könnte alles stimmen ??, hab als Nebenjob Hellseher)

eine Klatsche vom Rossi bekommt.

Dass hier aber so die Wutz abgeht, hätte ich nicht gedacht.

Rein rechtlich hat der Rossi wohl Recht.

Joebo (der mir durch seine Fragen hier aber nur positiv aufgefallen ist)
meint es aber wohl sicherlich nur gut. Er denkt an den Menschen (natürlich nicht ans Sozialamt).


Ich will die Sache mal etwas aufheitzen, da ich während meiner bisherigen KK-Zeit auch mal ein paar Jahre in der Vollstreckungsabteilung war. Dies sollte jeder einmal erlebt haben.

Der Versicherte könnte:

erben (seine Mutti,Vati könnte ja noch leben; auch wenn Vati/Mutti gerade keine Kohle haben, könnten deren ledige kinderlose reichen Geschwister noch leben, die dann Vati/Mutti beerben und diese dann den Versicherten hier:::: habe ich alles schon in meiner Berufstätigkeit erlebt).
oder
er könnte eine Rente beziehen, die aufrechenbar wäre
oder
wenn er selbst stirbt könnten, wenn seine Kinder nicht das Erbe ausschlagen, dann die Schulden erben (Erbenhaftung).

Joebo will den Versicherten (dann Beitragsschuldner) einfach nur schützen.

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