Enteignung durch Krankenversicherungspflicht zulässig?

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GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 14.03.2011, 08:33

Bis 31.12.2008 war es der Absatz 3:

(3) Die Bundesagentur übernimmt auf Antrag im erforderlichen Umfang die Aufwendungen für die angemessene Kranken- und Pflegeversicherung, soweit Personen allein durch diese Aufwendungen hilfebedürftig würden. Die Bundesagentur soll die Aufwendungen unmittelbar an die Krankenkasse oder das Versicherungsunternehmen zahlen, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die betreffende Person nicht sichergestellt ist.

http://www.buzer.de/gesetz/2602/al6794-0.htm

Auf diese Möglichkeit habe ich bereits mehrfach in dem anderen Thread hingewiesen.

Solidar
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Es geht hier um nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung!

Beitrag von Solidar » 15.03.2011, 18:02

Konnte bisher hier im Gegensatz zu einigen sehr fleißigen Kassenmitarbeitern keine Stelle finden, in der jemand auf Kosten anderer oder gar kostenlos versichert sein wollte. Es ging lediglich darum, dass für jeden bei gleicher Einkommensgröße auch die gleichen Bedingungen gelten sollten.

Wenn ich hier manche Zuschriften lese, muss ich daraus schließen, dass hier Krankenkassenmitarbeiter tagsüber, während ihrer Arbeitszeit, einseitig zu Gunsten der Kassen Stellung nehmen. Vor Gericht müsste man einen Befangenheitsantrag stellen. Hier kann ich nur empfehlen, dass sich die betreffenden Personen zwischendurch mit 10.000 Euro Kreditaufnahme für 1/2 Jahr als völlig unabhängige Selbständige bewähren, bevor sie hier vollkommen weltfremde und falsche Ansichten verbreiten. Ewas weiter oben sind sogar Gemeinheiten und Unterstellungen wie Sozialschmarotzertum von Leuten zu lesen, die sich in einer unkündbaren, sozialen Hängematte befinden. Sie werden im Endeffekt von Leuten bezahlt, denen sie hier nicht nachweisbare Schandtaten unterstellen.

GerneKrankenVersichert
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Re: Es geht hier um nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlun

Beitrag von GerneKrankenVersichert » 16.03.2011, 15:48

Solidar hat geschrieben:Konnte bisher hier im Gegensatz zu einigen sehr fleißigen Kassenmitarbeitern keine Stelle finden, in der jemand auf Kosten anderer oder gar kostenlos versichert sein wollte. Es ging lediglich darum, dass für jeden bei gleicher Einkommensgröße auch die gleichen Bedingungen gelten sollten.
Das BVerfG hat genauestens ausgeführt, dass aufgrund der unterschiedlichen Einkommensermittlung bei Selbständigen und sonstigen Versicherten unterschiedliche Bedingungen in Ordnung sind. http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 00496.html. Die Einkommensgrößen sind eben nicht so einfach zu vergleichen (Brutto-/Nettoprinzip).
Solidar hat geschrieben: Wenn ich hier manche Zuschriften lese, muss ich daraus schließen, dass hier Krankenkassenmitarbeiter tagsüber, während ihrer Arbeitszeit, einseitig zu Gunsten der Kassen Stellung nehmen. Vor Gericht müsste man einen Befangenheitsantrag stellen. Hier kann ich nur empfehlen, dass sich die betreffenden Personen zwischendurch mit 10.000 Euro Kreditaufnahme für 1/2 Jahr als völlig unabhängige Selbständige bewähren, bevor sie hier vollkommen weltfremde und falsche Ansichten verbreiten. Ewas weiter oben sind sogar Gemeinheiten und Unterstellungen wie Sozialschmarotzertum von Leuten zu lesen, die sich in einer unkündbaren, sozialen Hängematte befinden. Sie werden im Endeffekt von Leuten bezahlt, denen sie hier nicht nachweisbare Schandtaten unterstellen.
Tscha, so ist das mit den Schnellschlüssen, sie entsprechen nicht unbedingt der Realität.

Solidar
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Ein alter Hut aber sehr lesenswert!

Beitrag von Solidar » 16.03.2011, 18:09

Richtig, dieses etwa 10 Jahre alte Urteil wurde von allen Krankenkassen als Geldmaschine für freiwillig Versicherte verstanden. Es wird von den gesetzlichen Kassen zu ihren Gunsten ausgelegt und angewendet. Es enthält neben juristischen Winkelzügen auch folgenden Satz:
Die Satzung der Krankenkasse muß mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind.
Dieser Satz wäre meiner Ansicht nach tatsächlich mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, wenn das Wörtchen mindestens nicht dabei stehen würde und Details anderer Passagen nicht wieder völlig andere, dem entgegengesetzte Ausführungsanwendungen zulassen würden.

Die im Urteil enthaltene mit meiner Ansicht identische Auffassung des Landessozialgerichtes ist schon eher wie die darin enthaltene Schlussfolgerung eines Rechtsstaates würdig:

1
. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er allerdings grundsätzlich berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 87, 234 <255>;
100, 59 <90>; stRspr).
Das Gericht weise die Berufung aber nicht zurück, da nach seiner Überzeugung § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V verfassungswidrig sei. Die danach für hauptberuflich Selbständige geltende erhöhte Mindesteinnahmengrenze verletze Art. 3 Abs. 1 GG. Sie sei nach Entstehungsgeschichte, Normzusammenhang und Regelungsgehalt sachlich nicht gerechtfertigt. Die Vorschrift belaste diese Gruppe übermäßig im Vergleich zu anderen freiwilligen Mitgliedern, insbesondere nebenberuflich Selbständigen, für die nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine niedrigere Mindestbeitragsgrenze maßgeblich sei. Die unterschiedliche Belastung sei durch Unterschiede in der Leistungsfähigkeit nicht gerechtfertigt.
Nun da mag sich der Leser zu den enthaltenen Widersprüchen sein Urteil selbst bilden. Schade, dass die betreffende Person nicht bis zum Europäischen Gerichtshof gegangen ist. Es vermittelt wie heutzutage Recht gesprochen wird und wer nicht schon Zweifel an unserem sozialen Rechtsstaat hat, wird sie vermutlich durch diese Lektüre bekommen :
Es geht weder darauf ein, dass sämtliche Entnahmen aus dem Betriebsvermögen steuerpflichtig sein dürften und unterstellt, dass sich Selbständige schönrechnen können. Bei der angesprochenen Behinderten und Taxifahrerein dürfte sich das Betriebsvermögen im übrigen auf ihr Taxi und somit Existenzgrundlage beschränken.
Während dieses Gesetz von einer Versicherungsfreiheit ausgeht, wurde mittlerweile die Versicherungspflicht eingeführt. Diese Änderung greift in eine zuvor gewählte Lebens- und Altersplanung rückwirkend ein.
Fehlende Monate bis 2007 mussten nachgezahlt werden, andereseits dürfen wenige Monate darüber hinaus zur Inanspruchnahme der gesetzlichen Renten-Krankenversicherung, nicht entrichtet werden.

Im übrigen biegt unser Staat manches so wie er es als Recht ansieht. Mit den gekauften Steuer CDS macht er sich der Hehlerei schuldig um das Vergehen der Steuerstraftat zu korrigieren. Auf der anderen Seite wird vom gleichen Staat ein Polizist verurteilt, weil er das Leben eines Kindes retten wollte und dem überführten Mörder gegenüber sich mit einer Drohung jenseits der Polizeivorschriften schuldig gemacht hat.

Dass es auch heute noch Gruppen mit Sonderrechten für Beamte, erhöhte Beiträge für als selbständig eingestufte freiwillig Versicherte, andere Regelungen für Pflichtversicherte und Privatversicherte innerhalb einer Versicherungspflicht gibt, kann man nur als soziales Gewurstel bezeichnen. Eine solche Situation ist mit dem Gleichheitsgrundsatz absolut nicht vereinbar.
Eine wirklich soziale Bürgerversicherung nach Schweizer Muster wird ja gerade von Parteien mit dem sog. sozialen Mäntelchen verhindert.

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 17.03.2011, 08:39

Ich finde es doch immer wieder erstaunlich, wieviele Leute mit einer Qualifikation über der der Verfassungsrichter solche Probleme mit ihrem Krankenversicherungsbeitrag haben.

Unser Sozialsystem ist ein Stückwerk, da stimme ich dir uneingeschränkt zu. Ob das Schweizer System dann so viel gerechter ist, wage ich zu bezweifeln. Dort erhalten immerhin 40 % der Versicherten einen Sozialausgleich, da die Beiträge sie zu stark belasten. Und es wird nur an der Einnahmeseite geschraubt. Interessanter finde ich das Modell Singapur, bei dem ich jedoch mit noch weniger Zustimmung rechne.

Solidar
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Danke für die Blumen!

Beitrag von Solidar » 17.03.2011, 12:02

Es mag sein, dass ich den falschen Job erledige, leide aber nicht an Selbstüberschätzung.
Ich finde es doch immer wieder erstaunlich, wieviele Leute mit einer Qualifikation über der der Verfassungsrichter solche Probleme mit ihrem Krankenversicherungsbeitrag haben.
Gerade darum wundere ich mich wie in Deutschlands höchster Richterebene solche dem Staatsziel dienende Urteile unabhängig vom Rechtsanspruch der oder des Klägers gefällt werden können oder sind es folgende Gründe oder Bedenken die bei Entscheidungen mit einfließen:

1. Es könnte ja eine ungeahnte Kostenlawine entstehen!

2. Ist es nicht viel einfacher Urteile in Richtung vorhergehender Entscheidungen zu fällen, der Richter müsste ansonsten gegen den Strom schwimmen.

3. Um Unabghängigkeit zu gewährleisten erfolgt die Besetzung des BVG nicht nur an Hand der Qualifikation, sondern auch unter Einflussnahme der Parteien. Dies lässt von vorneherein den Schluss zu, dass von einer völligen Unabhängigkeit bei keiner Person ( auch nicht vom Papst) ausgegangen werden kann.

4. Das BVG ist und bleibt eine weltliche und fehlbare Institution die versucht Recht zu sprechen.

5. Willst du etwa behaupten, dass jedem Bürger der Weg zum BVG unabhängig von seiner persönlichen und finanziellen Situation offen ist?

Im Gegensatz zu 2001 und früher hat mittlerweile so ziemlich jeder Haushalt Internetanschluss. Haarsträubende Urteile verschwinden somit nicht mehr stillschweigend in einer Schublade. Unsere Parteiengesellschaft muss sich also schon daran messen, inwieweit Gerechtigkeit wieder hergestellt wird.

Ganz klar, wenn eine Kopfpauschale eingeführt würde, kenne mich mit dem Singapur-Modell nicht aus, müsste ein steuerlicher Sozialausgleich erfolgen, diesen müsstest du und ich wie auch jetzt schon für Bedürftige mitfinanzieren.
Alternativ würde ich ohnehin eine steuerfinanzierte Krankenversicherung mit Abgaben a nalog der Steuer für richtig halten. Eine freie Kassenwahl könnte sogar unter Einbeziehung der Privatversicherungen erfolgen.

Bezüglich des Bundesverfassungsgerichts möchte ich noch anfügen, dass ich davon ausgehe, dass die Mehrzahl der Richter dort tatsächlich versucht dem Recht zum Recht zu verhelfen. So wurde etwa die Vermögenssteuer wegen unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen für verfassungswidrig erklärt und dies obwohl diese Steuer jahrzehntelang grundgesetzwidrig erhoben wurde. Zu diesem Urteil steht die aktuelle Rechtspechung in Bezug auf die Unterschiede bei der Beitragserhebung der gesetzlichen Krankenversicherung in krassem Widerspruch. Nichts desto trotz wollen ja verschiedene Parteien das Recht was die Vermögenssteuer anbetrifft in ihrem Sinne zurechtbiegen.

Solidar
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Danke hab's gefunden!

Beitrag von Solidar » 17.03.2011, 12:43

Also dein erwähntes Singapurmodell:

http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/ ... d=20103741

wäre durchaus eine vorstellbare Alternative wo ich mich ebenfalls wiederfinden würde. Die Beurteilung des Schweizer Modells in diesem Beitrag trifft auf unser System um eine vielfaches zu und deckt sich mit meinen Erfahrungen voll und ganz.

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