Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) – wozu?

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Machts Sinn

Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) – wozu?

Beitrag von Machts Sinn » 10.10.2010, 14:29

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Machts Sinn

Rechtliches Systemversagen der Krankenversicherung!

Beitrag von Machts Sinn » 12.03.2011, 13:35

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Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 12.03.2011, 14:38

Hallo Machts Sinn,
auch wenn das jetzt verdammt zynisch rüberkommen sollte, aber das hättest du, bzw. wir alle schon vor fünf Monaten feststellen können.
Dass heute sparen an alllen Enden und Ecken angesagt ist, dass die Sozialgesetzgebung und die Rechtsprechung nicht immer im Einklang stehen und das der Versicherte schon immer die "ärmste Sau" im gesamten System war und ist.
Das Beste daraus machen wenn es (noch) nicht zum Systemwechsel reicht und die "Einzelfälle" möglichst im Interesse des sozial Schwächeren lösen und sich dabei Gesetz, Rechtsprechung und Auslegung gleichermassen bedienen, dass ist die Kunst, die es zu pflegen gilt.
Gruss
Czauderna

Machts Sinn

Petition zur Änderung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V

Beitrag von Machts Sinn » 13.03.2011, 00:25

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GerneKrankenVersichert
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Re: Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) – für den Ofen?

Beitrag von GerneKrankenVersichert » 13.03.2011, 11:16

Machts Sinn hat geschrieben:Hallo,

sehe ich das richtig: alle Akteure der gesetzlichen Krankenversicherung (Ärzte, Krankenkassen, MDK, Widerspruchsausschüsse … ) sind an die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) gebunden – aber die Gerichte nicht? Oder ist es gerade umgekehrt? Oder einfach nur beliebig?

Mit anderen Worten: gehören die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) eigentlich in den Ofen? Oder müsste § 46 Satz 1 Nr. 2 geändert werden?

Gruß!
Machts Sinn
All dies ergibt sich aus der Gewaltenteilung in einer Demokratie.

Die Legislative erlässt die Gesetze, u. a. den von dir kritisierten § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V.

Die Exekutive (Krankenkassen, MDK) führt diese Gesetze aus. Außerdem hat die Exekutive das Recht, normsetzende Befugnisse (z. B. Richtlinien zu erlassen) wahrzunehmen. Die vollziehende Gewalt ist an Gesetz und Recht gebunden. Das bedeutet, dass sie nicht einfach die Anweisung einer anderen vollziehenden Stelle (BVA mit dem von dir schon oft erwähnten Rundschreiben) über die Rechtssprechung stellen kann. Oder AU-RL weiter anwenden kann, die vom BSG verworfen wurden.

Die Judikative (Gerichte) überwachte die Einhaltung der Gesetze. Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Also nicht den Richtlinien, die die Exekutive erlassen hat. Oder Rundschreiben des BVA. Im Grunde genommen hätte dem BVA klar sein müssen, dass keine Krankenkasse sich an Anweisungen halten darf, die der ständigen Rechtssprechung widersprechen.

Dann haben wir ja noch die sogenannte 4. Gewalt, die Presse, die die öffentliche Meinung mitbestimmt und teilweise Druck auf die Legislative auszuüben versucht.

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Um Fälle wie den von ulsu zu vermeiden, braucht es m. E. keine Gesetzesänderung, da die Kasse hier bereits vom Sozialgericht eins auf den Deckel bekommen wird. Daran, dass diese falsche Entscheidungen mit in meinen Augen unpassenden Gerichtsurteilen zur Begründung trifft, ist niemand anderes als die Kasse schuld. Nicht der Gesetzgeber und auch nicht die Gerichte.

Bully
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Re: Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) – für den Ofen?

Beitrag von Bully » 13.03.2011, 11:47

GerneKrankenVersichert hat geschrieben:
Um Fälle wie den von ulsu zu vermeiden, braucht es m. E. keine Gesetzesänderung, da die Kasse hier bereits vom Sozialgericht eins auf den Deckel bekommen wird.
Hallo,

eins auf den Deckel bekommen, ach ja :)

Die Kasse wird zur KG- Zahlung verurteilt, ohne weitere Konsequenzen.
ja Sie hat sich gewehrt und wird auch Recht bekommen, aber wieviele Deppen laufen denn draußen rum, die sich so etwas bieten lassen und auf Rechtsmittel verzichten.
Wie hoch ist denn die Dunkelziffer ????
Scheint sich ja für die Kasse noch zu lohnen, so eine Arbeitsweise ???
und das muß man unterbinden ODER ???

Gruß Bully

ulsu
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Beitrag von ulsu » 13.03.2011, 11:52

Hallo,

das ist einer meiner Beweggründe warum ich das mache, und Klage einreichen werde, weil ich es einfach schlimm finde, was da passiert ist,
und habe aber große Angst davor, und wenn Ihr mich dabei mit Worten nicht so unterstützen würdet , hätte ich sicherlich schon den Mut verloren,
hätte mich arbeitssuchend gemeldet trotz Arbeitsunfähigkeit und klein bei gegeben, und ich bin mir sicher, dass es viele solcher Fälle gibt. Umso wichtiger ist dieses Forum hier.


LG ulsu

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 13.03.2011, 12:04

Hallo,
nur damit für zufällig vorbeikommende Leser kein falscher Eindruck entsteht - die geschilderten Verhältnisse zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Ausführung betreffen nun nicht nur die Krankenversicherung sondern fast alle Gebiete unseres gesellschaftlichen Lebens, ist also kein krankenkassenspezifisches Problem.
Gruss
Czauderna

GerneKrankenVersichert
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Re: Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) – für den Ofen?

Beitrag von GerneKrankenVersichert » 13.03.2011, 12:19

Bully hat geschrieben: Scheint sich ja für die Kasse noch zu lohnen, so eine Arbeitsweise ???
und das muß man unterbinden ODER ???

Gruß Bully
Ja. Das ist die Aufgabe der Aufsicht. Das Problem mit der laschen Länderaufsicht ist wohl jedem Insider bekannt. Ich wäre dafür, die Aufsicht für alle Krankenkassen auf das BVA zu übertragen.

Das Problem wird jedoch nicht durch eine Gesetzesänderung, wie von Machts Sinn gefordert, gelöst.

Machts Sinn

Petition zu § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V

Beitrag von Machts Sinn » 13.03.2011, 16:55

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Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 13.03.2011, 18:02

Hallo,
wieso bin ich da weiter weg ?? - Ich habe auch das bestätigt was du so ausschweifend lobst - all das was gernekrankenversichert geschrieben hat lässt sich nicht nur auf den Sektor der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen sondern auch auf andere Bereiche - die "Gewaltenteilung" in einer Demokratie wurde nicht nur für die Krankenkassen gemacht - nimm das Bankenwesen oder das Baurecht, oder, oder - usw. usw. überall wirst du auf solche Widersprüche stossen und es wird immer wieder Fälle geben wo diese Widersprüchlichkeit zum Nachteil des Betroffenen Bürgers führt und er hinter dem "Gemeinwohl" zurückstehen muss.
Hier den Eindruck zu vermitteln dass die gesetzliche Krankenversicherung un deren Ausführungsbehörden einen "Sonderstatus" hätten halte ich für sachlich falsch und da bin ich dann wieder gerne weiter weg.
Gruss
Czauderna

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Re: Petition zu § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V

Beitrag von GerneKrankenVersichert » 13.03.2011, 20:36

Machts Sinn hat geschrieben:Die Vorgaben kommen nämlich nicht nur per Gesetz über einen Strang, sondern im weit verzweigten System der sozialen Krankenversicherung aus mehreren Ecken gleichzeitig (auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss, vom Bundesversicherungsamt sowie von den Interessenvertretungen), weshalb sie oft unzureichend abgestimmt sind.
Das sind die Vor- und Nachteile der Selbstverwaltung. Die es übrigens nicht nur in der Krankenversicherung, sondern in vielen anderen Teilen gibt. Für den Gesetzgeber ist das praktisch, da er nicht alles bis ins kleinste Detail regeln muss, sondern es den Selbstverwaltungsorganen übergibt. Und auch wenn du anderer Meinung bist - es ist gut so. Denn dem Gesetzgeber fehlt das Fachwissen. Wir alle können ein Liedchen von Gesetzen singen, die ohne fundiertes Fachwissen erlassen und dann vom BVerfG wieder einkassiert wurden.
Machts Sinn hat geschrieben: Ganz problematisch wird es, wenn dann auch noch das BSG – trotz der von dir im Prinzip richtig beschriebenen Gewaltenteilung – alle Macht für sich beansprucht.
Um das zu ändern, müsstest du eine Änderung des Artikel 97 Grundgesetz anstreben. Ich sehe das BSG jedoch nicht so negativ wie du, da es Auswüchsen der Selbstverwaltung Grenzen setzen kann.
Machts Sinn hat geschrieben: Unsere Ansichten über die sich daraus aufdrängenden Folgerungen unterscheiden sich jedoch wesentlich. Während du dich stark an der Rechtsprechung des BSG orientierst, bin ich der Meinung, dass gerade sie – nicht nur bezogen auf § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V – die „Wurzel des Übels“ ist und die – vom Gesetzgeber offenbar nicht gewollte – rechtliche Schieflage verschuldete.
Wenn der Gesetzgeber diese von dir empfundene rechtliche Schieflage nicht wollte, könnte er ganz einfach mit einer Gesetzesänderung, der das BSG dann wieder unterworfen wäre, ändern.
Machts Sinn hat geschrieben: Bisher stehen mir die Gesetzesmaterialien zur Einführung des SGB V vor 22 Jahren nicht zur Verfügung. Aus der Historie zu den AU-RL ab 03.09.1991 ist jedoch zu schließen, dass die rückwirkende den Anspruch auf Krankengeld begründende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden sollte, sondern stattdessen ausdrücklich kalkuliert war und die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AU-RL damit den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprach. Jedenfalls hat er mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V dem Gemeinsamen Bundesausschuss Richtlinienbefugnisse erteilt und ihm nähere Regelungen zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich aufgetragen.
Diese Regelung gab es bereits in der alten RVO. Und du ignorierst immer noch standhaft den Unterschied zwischen einer rückwirkenden Krankschreibung und dem Tag der Feststellung der AU und dem am Folgetag beginnenden Anspruch auf Krankengeld.

Deine weiteren Ausführungen werde ich deshalb auch nicht kommentieren, da sie auf einer falschen Annahme beruhen. Wenn du der Meinung bist, dass die Regelungen nicht verfassungsgemäß sind, steht dir der Weg zum BVerfG offen.

Machts Sinn

Re: Petition zu § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V

Beitrag von Machts Sinn » 14.03.2011, 14:31

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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 14.03.2011, 15:57

....

Die in § 5 Abs 3 Satz 2 der AU-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bzw des heutigen Gemeinsamen Bundesausschusses geregelte Befugnis von Vertragsärzten, im Ausnahmefall AU auch rückwirkend zu attestieren, ist ebenfalls ohne Belang. § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V stellt gerade nicht auf den Zeitpunkt des "wirklichen" oder vom Arzt attestierten Beginns der AU, sondern auf den Tag ab, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folgt. Das ist der Tag, der sich an jenen anschließt, an dem ein Arzt selbst tatsächlich AU festgestellt hat. Es ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut und -zweck für den Krg-Anspruch unerheblich, wenn der Arzt an diesem Tage einen früheren Beginn der AU bescheinigt. Abgesehen davon, dass die AU-RL nur Vertragsärzte binden, § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aber keine vertragsärztliche AU-Feststellung verlangt, und dass die AU-RL im Range unter dem Gesetz stehen, fehlt dem Bundesausschuss auch die Kompetenz, die Voraussetzungen des Krg-Anspruchs zu modifizieren. Denn § 92 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 7 SGB V ermächtigt den Bundesausschuss nur dazu, die "zur Sicherung der ärztlichen Versorgung … über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten" erforderlichen Richtlinien, insbesondere über die "Beurteilung der Arbeitsfähigkeit", zu beschließen, nicht aber, die Voraussetzungen des Anspruchs auf Krg zu ändern.

...

Ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der AU ausnahmsweise - rückwirkend - nachgeholt werden kann, liegt nach den unangegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Insbesondere hinderten den Versicherten nach den Umständen des Falles weder Handlungs- noch Geschäftsunfähigkeit, seine AU rechtzeitig vor Ablauf des 31. 3. 2003 feststellen zu lassen. Der Umstand allein, dass ein von einem Versicherten am 31. 3. 2003 hinzugezogener Vertragsarzt keine AU-Feststellung vornahm, führt nicht schon dazu, dass von der Fehlerhaftigkeit dieser Behandlung ausgegangen und der beklagten Krankenkasse ein "Fehlverhalten" des Vertragsarztes zugerechnet werden muss. § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V kann deshalb in seinem Fall nicht einschränkend in der Weise angewandt werden, dass der Krg-Anspruch bereits vor dem 2. 4. 2003 entstand.

http://lexetius.com/2007,2442, von mir gekürzt

Nochmal: Maßgebend für die Exekutive, zu der auch das BVA gehört, sind die Gesetze und die Rechtssprechung. Eine Petition einzureichen, die das Ziel hat, die Rechtsauffassung des BVA (wovon das BVA selbst sich ja im Schreiben an dich schon wieder distanziert hat, keine Ahnung, wer da meinte, seinen Senf abgegeben zu müssen) durchzusetzen, ist schon von vorneherein zum Scheitern verurteilt.

Machts Sinn

Petition: AU-RL und § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V

Beitrag von Machts Sinn » 14.03.2011, 20:53

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