Der Kampf um die Versicherten

positive und negative Erfahrungen zu einzelnen Krankenkassen

Moderator: Czauderna

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ippuj
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Der Kampf um die Versicherten

Beitrag von ippuj » 09.04.2010, 19:21

Welche Blüten es treibt, wenn eine Krankenkasse mit aller Gewalt zu einem neuen Versicherten kommen will:

Einer unserer Arbeitnehmer wollte zum Ende November 2009 die Kasse wechseln. Er kündigte ordnungsgemäß und erhielt ordnungsgemäß seine Kündigungsbestätigung, die er der neuen Kasse vorlegte. Kundenorientiert wie Krankenkassen nun einmal sind, hat die neue Kasse uns angeblich eine Mitgliedsbescheinigung zugesandt. Hier fangen die Probleme an, denn wir haben diese Mitgliedsbescheinigung erst mehrere Monate später per FAX erhalten.

Die Firmenkundenbetreuerin diskutierte mehrfach per eMail mit mir, daß wir den Kassenwechsel melden sollten. Da in unserer Firma Wert darauf gelegt wird, Dinge rechtmäßig abzuwickeln, erklärte ich ihr ebenfalls mehrfach, daß der Wechsel im Hinblick auf den rechtlichen Hintergrund nicht zustande gekommen ist. (Den meisten hier ist wohl bekannt, daß der zur Meldung verpflichteten Stelle (im Normalfall dem Arbeitgeber) die Mitgliedsbescheinigung spätestens bis zum Kündigungstermin vorliegen muß, damit der Wechsel zustande kommt.)

Nun, heute durfte ich die Situation mit einem weiteren Kassenmitarbeiter diskutieren. Seine Argumente waren, daß dem Wunsch des Kunden (Versicherten) doch Rechnung getragen werden sollte (er wolle ja schließlich die Kasse wechseln) und daß die Kasse nachweislich die Mitgliedsbescheinigung versandt hätte. Ich blieb bei meinem Standpunkt und erklärte, daß nicht die Versendung, sondern das Vorliegen der Mitgliedsbescheinigung entscheidend sei. Außerdem sei es ja wohl Sache des Versicherten, sicher zu stellen, daß der von ihm gewünschte Kassenwechsel auch zustande kommt. Nun setzte der Kassenmitarbeiter dem Ganzen die Krone auf: Es gäbe höchstrichterliche Urteile sowie Rundschreiben der Spitzenverbände, daß es Sache der Krankenkassen sei, dem Arbeitgeber die Mitgliedsbescheinigung zuzusenden und dies sei nachweislich geschehen. Eigentlich hätte ich mir den Spaß machen und ihn um genauere Angaben bitten sollen, denn weder gibt es solche höchstrichterlichen Urteile, noch so lautende Rundschreiben der Spitzenverbände. (Vielleicht hat hier ja jemand mehr Glück beim Finden als ich.) Nun, er will die Sache jetzt an die Rechtsabteilung weitergeben.

Ich hatte schon häufiger mit derartigen Fällen zu tun, doch sobald man den Kassenmitarbeitern erklärte, daß dem Arbeitgeber die Mitgliedsbescheinigung eben nicht rechtzeitig vorgelegen hat, wurde dies mehr oder weniger zähneknirschend akzeptiert. Ich will nicht alle Kassen in einen Topf werfen, aber die Mittel, mit denen die Kassen um ihre Versicherten kämpfen, sind teilweise schon sehr tief unter der Gürtellinie.

RHW
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Beitrag von RHW » 10.04.2010, 08:45

Ja, völlig korrekt: maßgebend ist der Eingang der Bescheinigung beim Arbeitgeber. Wenn der Eingang gar nicht (bzw. erst nach dem geplanten Wechseltermin) erfolgt, ist die Kündigung (erstmal) hinfällig.
Gibt es hier im Forum vielleicht praktikable Ideen, wie diese Schnittstelle (Schwachstelle?) elegant gelöst werden kann:
1) Krankenkasse verschickt alle Bescheinigungen per Einschreiben -> hohe Verwaltungskosten!
2) Die Bescheinigung wird dem neuen Mitglied zur Weiterleitung an AG zugeschickt -> viele Mitglieder werden das vergessen (liegt ja dann auch meist 4-8 Wochen in der Zukunft)
3) Die KK schickt alle Bescheinigungen an AG und Mitglied -> AG erhält den größten Teil der Bescheinigungen doppelt
4) Die KK ruft etwa 1 Woche vor dem Wechseltermin beim AG an -> hohe Verwaltungskosten
Wer hat eine sinnvolle Idee?
M.E. kann die Ursache bei allen drei Beteiligten liegen: KK, die versehentlich die Bescheinigung nicht versandt hat (obwohl das meistens maschinell passiert), Post und Arbeitgeber (Brief bei Werbung/Zeitungen untergegangen; falschem Mitarbeiter zugeordnet, Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Steuerberater)
Gruß
RHW

ippuj
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Beitrag von ippuj » 10.04.2010, 11:01

Schön, daß ich offensichtlich richtig liege.

Ich erlebe häufig, daß wir es mit Arbeitnehmern zu tun haben, die in dieser Beziehung etwas "naiv" sind, das heißt, sie sind sich der Wichtigkeit der Einhaltung von Fristen und Vorgehensweisen nicht bewußt. Aber hier gilt meiner Meinung nach das alte Prinzip, daß Unkenntnis nicht vor Strafe schützt.

Das Versenden der Mitgliedsbescheinigungen per Einschreiben wäre natürlich ein interessanter Weg, würde aber - wie bereits gesagt - die Kosten extrem in die Höhe treiben.

Der Kontrollanruf beim Arbeitgeber, ob die neue Mitgliedsbescheinigung vorliegt, wird teilweise - sowohl von den gekündigten als auch von den aufnehmenden Kassen - schon praktiziert. Die Kosten hierfür sollten sich eigentlich im Zeitalter von Flatrates im Rahmen halten. Allerdings beantworte ich als Arbeitgeber diese Anfragen nicht, weil die Mitgliedsbescheinigung in einer unserer Betriebsstätten vorliegen könnte oder im Hause unterwegs ist und ich darüber hinaus dazu nicht verpflichtet bin. Der Arbeitgeber ist lediglich verpflichtet, die entsprechenden Meldungen gemäß DEÜV zu übermitteln, Punkt.

Es gibt jedoch eine weitere Möglichkeit: Hier - ebenso wie in anderen Bereichen - sollten die Krankenkassen einmal aus ihrer Lethargie erwachen und eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften herbeiführen. Ich bin häufig erstaunt über die demonstrierte "Machtlosigkeit" der Krankenkassen gegenüber der Politik. Was mich hier besonders ärgert: Vor der Politik wird gekuscht, aber beim Arbeitgeber spielen wir den Starken und Mächtigen.

Interessant natürlich die Argumentation der Kasse im gegebenen Fall. Ich frage mich, wie die Kasse argumentieren würde, wenn der Versicherte von dort weg zu einer anderen Kasse wechseln wollte. Dann würde man natürlich auf strengste Einhaltung aller Vorschriften pochen, nach dem Motto: Wenn Ihnen die Mitgliedsbescheinigung der neuen Kasse nicht rechtzeitig vorlag, muß der Versicherte eben bei uns bleiben. Im Klartext: Krankenkassen sind auch nur "Menschen" und drehen sich genau in die Richtung, die ihnen gerade in den Kram paßt.

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 10.04.2010, 11:22

Taja, ich denke das Problem ist ja uch immer das die KK von der Politik abhängt, nich die Politik von der KK, das ist schon seit 1883 unter Bismarck so, die Aufgaben wurden damals den KKen sozusagen übertragen. Ich möchte jetzt hier nicht weitermachen über die RVO von 1928 und der Einführung des SGB ab den 1980 er.
Das Gesetz wird von Menschen getragen und für Menschen gemacht und wo Menschen sind da wird menschliches Handeln nicht immer prmär vom Grundgedanken des rechtlich und wirtschftlich Richtigen getragen.

Ian
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Beitrag von Ian » 12.04.2010, 20:54

wir machens tatsächlich so, dass sowohl der Arbeitgeber als auch das Neumitglied (mit Hinweis auf die Abgabefrist) eine Mitgliedsbescheinigung bekommen. Im Zweifelsfall hat der Arbeitgeber dann eben zwei davon vorliegen. Besser als keine, denke ich. ;)

yerry
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Beitrag von yerry » 13.04.2010, 21:26

ippuj hat geschrieben:Allerdings beantworte ich als Arbeitgeber diese Anfragen nicht, weil die Mitgliedsbescheinigung in einer unserer Betriebsstätten vorliegen könnte oder im Hause unterwegs ist und ich darüber hinaus dazu nicht verpflichtet bin.
Vielleicht war die Mitgliedschaftsbescheinigung damals ja schon bei Ihnen im Haus unterwegs und ging unter. Sowas soll tatsächlich vorkommen.

ippuj
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Beitrag von ippuj » 15.04.2010, 07:41

@yerry: Wenn ich eine derartige Anfrage beantworte (was ich - wie gesagt - in der Regel nicht tue), dann gilt diese Antwort. Im vorliegenden Fall lag die Mitgliedsbescheinigung weder in der Betriebsstätte noch in der Hauptverwaltung vor.

Gestern kam der Wunsch der Krankenkasse zur Wechselmeldung noch einmal per Post. Ich habe alle Fakten zusammengestellt und die Angelegenheit an meine "übergeordneten Dienststellen" weitergegeben; mal sehen wie "standhaft" die sind. :wink:

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