Aussteuerung wurde nicht mitgeteilt

Informationen und Fragen zum Krankengeld

Moderator: Czauderna

Hufflepuff
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Aussteuerung wurde nicht mitgeteilt

Beitrag von Hufflepuff » 22.09.2017, 11:18

Hallo zusammen,

ich habe folgende Frage:

Wenn die Kasse es versäumt dem Versicherten mitzuteilen dass er ausgesteuert wird/wurde und ihm dadurch ein finanzieller Schaden entstanden ist, weil er sich nicht rechtzeitig beim Amt melden konnte, was kann besagter Versicherter dann dagegen tun?

Gibt es da zufällig ein Gesetz, Rundschreiben oder Gerichtsurteil das dazu passt und was man nutzen könnte um vom Amt doch eine Nachzahlung zu erhalten, oder ggfs. Schadensersatz von der Kasse?

Danke im voraus!

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 22.09.2017, 13:32

Hallo,
na ja, erst natürlich mal Widerspruch einlegen und dann ggf. klagen.
Ich kann jetzt nicht konkret mit einem Urteil dazu dienen, aber ich kann mich an einen Fall erinnern, da wurde die Kasse verurteilt Krankengeld zumindest bis zu dem Tage ,trotz Leistungsende, zu zahlen, an dem dann die Meldung beim Arbeitsamt erfolgte - das waren, wenn ich mich recht erinnere etwa drei Wochen gewesen. der Versicherte hatte einen Auszahlschein eingereicht und kein Krankengeld bekommen, er hatte nachgefragt bei der Kasse und bekam dann mündlich die Auskunft, dass das Leistungsende schon vor ca. drei Wochen eingetreten wäre - vielleicht weiß ein anderer, aktiver GKV-Experte dazu etwas mehr.
Gruss
Czauderna

Gustav
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Beitrag von Gustav » 22.09.2017, 15:03

Hallo,

mir würde es helfen, wenn du den Fall etwas mit Leben füllst.
Hat die Krankenkasse dir mitgeteilt, dass Sie die Mitteilung versäumt hat oder ist das zur Zeit deine Einschätzung der Situation?

Seit wann bestand AU?
Wurde Krankengeld gezahlt? Ab wann?
Wann war Leistungsunterbrechung?
Wann wurde diese mitgeteilt?
Wann hast du dich bei der Agentur für Arbeit gemeldet?
Welche Zeiten wurden ggf. auf den Höchstanspruch des Krankengeldes angerechnet?

Grüße

Hufflepuff
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Beitrag von Hufflepuff » 22.09.2017, 19:47

aaaaalso....

aussteuerung 02.08.17
erfahren durch zufall per email am 13.09.17 (arbeitsamt zu)
persönliche meldung beim amt 14.09.17

au bestand ab 02.02.16
rehazeit 31.01.17 - 16.05.17
danach weiterhin au bis lfd.

angeblich wurde ein aussteuerungsbescheid am 03.05.17 zugesandt
nie erhalten, auch sonst nie post von der kasse bekommen ausser am anfang die info über die berechnung des täglichen kg


@Czauderna
widerspruch ja, nur wäre es super dazu evtl was futter in der hand zu haben

Gustav
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Beitrag von Gustav » 22.09.2017, 20:21

Und mit leben gefüllt wird aus dem fall die krankenkasse hat die LU nicht mitgeteilt doch eher der fall, dass du den brief nicht erhalten hast.

Ich kann mich da sicher nochmal schlau machen, bin aber aktuell nicht wirklich profi in sachen bescheid erlassen und postzustellungsfiktion.
Drei Tage nach Aufgabe gilt der brief wohl als zugestellt. Vielleicht kennt sich ja hier jemand auf Anhieb damit aus.

Grundsätzlich bin ich bei czauderna, dass völliges ausbleiben des LU datums zu einem längeren anspruch führen kann.

Falls da keiner was Genau es weiß schau ich Montag spätestens mal nach.

Hast du dir den bescheid als kopie mal angefordert?

Hufflepuff
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Beitrag von Hufflepuff » 22.09.2017, 20:32

ja die kopie ist diese woche eingetroffen.

ich wüsste halt gerne ob es eine art "vorschrift" gibt die vorgibt wie bei aussteuerung zu verfahren ist. im sinne von: so viele wochen vorher muss eine info raus, es müssen insgesamt so und so viele infos dazu verschickt werden, der versicherte muss bestätigen die info erhalten und verstanden zu haben oder was auch immer...

danke gustav wäre toll falls du was genaueres erfahren könntest

Pichilemu
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Beitrag von Pichilemu » 22.09.2017, 20:37

Gustav hat geschrieben:Drei Tage nach Aufgabe gilt der brief wohl als zugestellt. Vielleicht kennt sich ja hier jemand auf Anhieb damit aus.
Im Streitfall ist immer der Absender eines Briefes in der Beweispflicht, dass der Brief auch tatsächlich angekommen ist, hier also die Behörde. Wurde der Brief normal verschickt (also keine PZU), kann die Behörde den Zugang des Schreibens in der Regel nicht beweisen und damit gilt der VA als nicht bekanntgegeben.

Hufflepuff
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Beitrag von Hufflepuff » 22.09.2017, 20:40

Pichilemu hat geschrieben:
Gustav hat geschrieben:Drei Tage nach Aufgabe gilt der brief wohl als zugestellt. Vielleicht kennt sich ja hier jemand auf Anhieb damit aus.
Im Streitfall ist immer der Absender eines Briefes in der Beweispflicht, dass der Brief auch tatsächlich angekommen ist, hier also die Behörde. Wurde der Brief normal verschickt (also keine PZU), kann die Behörde den Zugang des Schreibens in der Regel nicht beweisen und damit gilt der VA als nicht bekanntgegeben.

so hab ich es auch in erinnerung
danke dir

vlac
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Beitrag von vlac » 22.09.2017, 22:25

Hallo,

zunächst einmal: Hier würde ich mir anwaltliche Hilfe hinzuholen; ist das Einkommen gering, besteht Anspruch auf Beratungshilfe.

Ein Widerspruch gegen den Aussteuerungsbescheid dürfte wohl nur weiterbringen, wenn es etwas gibt, was man angreifen kann. Wenn aber der Zeitpunkt der Aussteuerung auf Grund des Erreichens der gesetzlichen Höchstbezugsdauer korrekt bestimmt wurde, dann würde der Widerspruch zurpck gewiesen werden, ganz gleich ob der Bescheid rechtzeitig zugegangen ist, oder nicht, denn die Höchstanspruchsdauer ist ja erreicht, und das Gesetz lässt keine Verlängerung zu.

Bliebe also, Schadenersatz gegenüber der Krankenkasse geltend zu machen. Doch solche Klagen sind tückisch und die Nachweispflicht sehr viel höher und komplizierter, als bei sozialrechtlichen Auseinandersetzungen.

Zunächst einmal muss man sich hier bewusst machen, dass nur tatsächlich entstandene finanzielle Schäden überhaupt geltend gemacht werden können. Man muss damit rechnen, dass der Schaden nicht in der Höhe des nicht gezahlten Arbeitslosengeldes oder Krankengeldes festgesetzt werden würde. Denn: Die Höchstdauer des Krankengeldes war erreicht; es geht also nur darum, dass Arbeitslosengeld nicht schon ab dem 03.07. sondern erst ab dem 14.08. gezahlt wurde. Das Problem dabei ist aber, dass sich durch die verspätete Antragstellung der zunächst einmal die Bezugsdauer des ALG I verschiebt; es entsteht aber insgesamt keine finanzielle Einbuße, und damit auch kein Schaden. Anders sähe es aus, wenn deshalb eine Sperrzeit verhängt wurde. Dann wäre ein Schaden in der Höhe des entgangenen Geldes entstanden. Schäden sind aber auch alle Kosten, die dadurch entstanden sind, dass kein Geld zur Verfügung stand: Überziehungsgebühren, Vollstreckungskosten.

Aber: Hat man die Höhe des entstandenen Schadens ermittelt, reicht die Behauptung, dass man einen Bescheid nicht erhalten hat, allein nicht aus, um die Krankenkasse erfolgreich zu einer Schadenersatzpflicht verpflichten zu lassen. Man müsste auch glaubhaft machen, dass es die Krankenkasse war, die dafür verantwortlich war, und nicht beispielsweise die Post, oder jemand, der am Briefkasten herum gefingert hat. Denn nur der Verursacher ist zu Schadenersatz verpflichtet. Im Umkehrschluss müsste man also nachweisen, dass das Schreiben nie den Einflussbereich der Krankenkasse verlassen hat.

Selbst wenn man dies geschafft haben sollte, muss man aber auch mit weiteren Diskussionen rechnen. Einige Argumente, die mir aus der Hand heraus einfallen: Die Krankenkasse könnte gegenhalten, dass sich der Versicherte den ungefähren Zeitpunkt der Aussteuerung leicht selbst ausrechnen konnte. Der Versicherte könnte beispielsweise erwidern, dass er, falls das nicht geschehen sein sollte, nicht auf die Höchstdauer des Krankengeldes hingewiesen wurde, wobei ich die Erfolgsaussichten dieses Arguments nicht bewerten möchte.

Die Krankenkasse könnte auch die Schadenvermeidungspflicht anführen und argumentieren, dass zwischen Aussteuerung und Meldung bei der Arbeitsagentur grob sechs Wochen vergingen und vorwerfen, dass auch ausbleibende Zahlungen nicht zum Anlass genommen wurden, bei der Krankenkasse nachzufragen, wobei ich natürlich nicht weiß, wie die Zahlungshistorie ist, und was sich in den sechs Wochen zugetragen hat.

Eine solche Klage ist also um ein Vielfaches komplizierter, als vieles andere im Sozialrecht. De Aussage, dass man den Brief nicht bekommen hat, reicht bei Schadenersatzklagen in all' ihren Erscheinungsformen wie gesagt allein nicht aus, um erfolgreich zu sein.

Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass meine Aussagen nur für die beschriebene Konstellation gelten. Was die Höhe von Schäden betrifft, sähe das Bild bei fristgebunden Leistungen wie dem ALG II völlig anders (und noch komplizierter) aus.

Pichilemu
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Beitrag von Pichilemu » 22.09.2017, 22:40

vlac hat geschrieben:Wenn aber der Zeitpunkt der Aussteuerung auf Grund des Erreichens der gesetzlichen Höchstbezugsdauer korrekt bestimmt wurde, dann würde der Widerspruch zurpck gewiesen werden, ganz gleich ob der Bescheid rechtzeitig zugegangen ist, oder nicht, denn die Höchstanspruchsdauer ist ja erreicht, und das Gesetz lässt keine Verlängerung zu.
Das sehe ich anders. Hier greift der Vertrauensschutz des § 48 SGB X. Der TE musste nicht wissen, dass die Höchstanspruchsdauer erreicht ist, wenn ihn die KK niemals darüber informiert hat. Zwar ist der VA (bzw. eine Kopie davon) dem TE inzwischen zugegangen, eine rückwirkende Aufhebung eines VA mit Dauerwirkung ist aber nur unter engen Voraussetzungen möglich und die sehe ich hier nicht.

broemmel
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Beitrag von broemmel » 23.09.2017, 07:48

Es gab aber keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 23.09.2017, 15:36

.
Das mit dem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sehe ich anders! Bisher gibt
es dazu keine - ausdrückliche - BSG-Entscheidung.

Entweder besteht Anspruch auf Alg I direkt im Anschluss an das Krankengeld
oder es besteht Anspruch auf Krankengeld bis unmittelbar vor Beginn des Alg I.

Ich bin mehr für längeres Krankengeld. Aber Da müssen beide Wege parallel
beschritten werden, wobei jeweils die Hinzuziehung des anderen Leistungs-
trägers beantragt werden sollte, § 12 Abs. 2 SGB X:
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_10/__12.html
.

Pichilemu
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Beitrag von Pichilemu » 23.09.2017, 19:30

broemmel hat geschrieben:Es gab aber keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.
Wieso nicht? Die Bewilligung von Krankengeld ist eigentlich immer ein VA mit Dauerwirkung.

broemmel
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Beitrag von broemmel » 23.09.2017, 20:41

Ist es nicht.

Das BSG ist da eindeutig. Anton kann nur nicht lesen

Pichilemu
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Beitrag von Pichilemu » 23.09.2017, 21:13

broemmel hat geschrieben:Ist es nicht.

Das BSG ist da eindeutig. Anton kann nur nicht lesen
Nein, da liegst du falsch. Denn das BSG hat nur entschieden, dass Krankengeld immer befristet für die Dauer der ärztlich festgestellten AU gewährt wird. Soll aber Krankengeld trotz vorliegender AU aufgehoben werden, weil die Höchstanspruchsdauer erreicht ist, braucht es dafür sehr wohl einen Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X. Oder in den Worten des Gerichts (ich zitiere wörtlich aus BSG B 1 KR 22/04 R):
Demgemäß wird das Krg in der Praxis jeweils auf Grund der vom Vertragsarzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entsprechend der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit abschnittsweise gezahlt. Nach der Rechtsprechung des BSG ist hierin regelmäßig die Entscheidung der Krankenkasse zu sehen, dass dem Versicherten ein Krg-Anspruch für die laufende Zeit der vom Vertragsarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit zusteht, dh ein entsprechender Verwaltungsakt über die zeitlich befristete Bewilligung von Krg vorliegt. Hat der Arzt dem Versicherten für eine bestimmte Zeit Arbeitsunfähigkeit attestiert und gewährt die Krankenkasse auf Grund einer solchen Bescheinigung Krg, kann der Versicherte davon ausgehen, dass er für diese Zeit Anspruch auf Krg hat, soweit die Kasse ihm gegenüber nichts anderes zum Ausdruck bringt (vgl ua BSGE 70, 31, 32 = SozR 3-2500 § 48 Nr 1 S 2; Urteil des erkennenden Senats vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 39/02 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 2).

[...]

Hieran hat das BSG auch unter Geltung des SGB V festgehalten und ua entschieden, dass [nur] eine Einstellung der Krg-Zahlung vor Ablauf des vom Arzt festgestellten "Endzeitpunktes" der Arbeitsunfähigkeit die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Maßgabe des § 48 SGB X voraussetzt (vgl Urteil des Senats vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 39/02 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 2).
Genau dieser Fall liegt hier vor. Da es die KK versäumt hat, die Bewilligung schriftlich aufzuheben, muss sie Krankengeld auch für den Zeitraum bis zum Eintritt des Arbeitslosengeld-Bezugs leisten, auch wenn die Bewilligung eigentlich rechtswidrig wäre.

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