Beitrag
von vlac » 27.04.2013, 15:52
Hallo,
zunächst einmal: Jeder Betroffene sollte sich bewusst sein, dass die Krankenkassen, die das so praktizieren, im Falle einer Weigerung das Krankengeld einstellen werden, auch wenn diese Praxis so eindeutig nicht rechtens ist. Zwar scheint es so zu sein, dass im Zuge des Widerspruchs die Aufforderung so gut wie immer zurück gezogen wird, aber das kann sehr lange dauern - und: Ich kann mich dabei nur auf meine eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen von Kollegen stützen. Was sonst so alles da draußen passiert, wenn niemand die Hand hält, dass kann man unmöglich sagen.
Bevor man etwas tut, sollte man auf jeden Fall mit seinem Arzt, idealerweise dem Facharzt darüber sprechen, und unter Umständen auch eine Patientenberatungsstelle zu Rate ziehen.
Wenn die Kasse den § 51 SGB V zieht, ist die Sache relativ klar.
Wenn die Kasse allerdings hingeht, und sich entweder auf den MdK oder den behandelnden Arzt beruft, darauf basierend eine bestimmte Behandlung fordert und die Mitwirkungspflichten als Grund anführt, kommen eine ganze Reihe von Gesetzen innerhalb und außerhalb des SGB ins Spiel.
Zunächst einmal das Szenario "der Mdk empfiehlt": Der MdK darf in die medizinische Behandlung nicht eingreifen, wobei das Feststellen der Erwerbsminderung beispielsweise zu seinen Aufgaben gehört, woraus dann ja die Aufforderung nach § 51 resultiert. Der MdK darf auch ausdeuten, dass eine Behandlung ausschließlich durch den Hausarzt statt findet.
Was aber ein Arzt beim Medizinischen Dienst nicht darf, ist eine bestimmte Methode der Behandlung zu empfehlen. Dem stehen neben dem SGB V auch die berufsrechtlichen Vorschriften für Ärzte entgegen.
Um eine Behandlungsentscheidung zu treffen, muss der Arzt eine persönliche Untersuchung des Patienten durchführen. Bei einer Entscheidung nach Aktenlage ist also eine solche Empfehlung für eine bestimmte Methode offensichtlich widerrrechtlich - Behandlungsempfehlungen auf der Grundlage von Ferndiagnosen sind in Deutschland verboten. Und beim persönlichen Gespräch mit dem MdK handelt es sich in aller Regel um eine Begutachtung, nicht aber um eine Untersuchung, wie sie notwendig ist, um eine Behandlung durch führen zu dürfen.
Hinzu kommt, dass in Deutschland das Recht auf freie Arztwahl besteht, das auch die freie Wahl der Behandlungsmethode, also die Therapiefreiheit, umfasst, die ja regelmäßig auch ein Argument in gesundheitspolitischen Auseinandersetzungen ist. So lange sie dem anerkannten Stand der Wissenschaft entspricht, und der Behandler fachlich dazu geeignet ist, die Behandlung durch zu führen, sind Eingriffe von außen nicht möglich.
Dabei gibt es allerdings einen kreativen Sonderfall, an dem sich mindestens eine bestimmte Krankenkasse, eine Zeit lang versucht zu haben scheint: Man hat einfach eigene "Beratungsärzte" angestellt, die dann solche Empfehlungen abgegeben haben. Nur: Diese Praxis war auf viele verschiedene Arten problematisch.
Zum einen gilt auch hier: Behandlungsentscheidungen auf der Grundlage von Aktenlagen sind unzulässig. Und dann: Diese Akten müssen irgendwie beschafft worden sein. Wann und an wen der behandelnde Arzt Patientenakten weiter geben muss, ist aber klar geregelt. Wenn der behandelnde Arzt ohne Zustimmung des Patienten Unterlagen an einen anderen Arzt weiter gibt, ist das illegal. Das gilt übrigens auch für einen Arzt, der bei einer Krankenkasse angestellt ist: Für ihn gilt die Schweigepflicht, auch gegenüber den Mitarbeitern der Krankenkasse.
In diesem Szenario könnte er, selbst dann, wenn die Kasse den Versicherten dazu bewogen hat, zu einem Termin bei einem solchen Arzt zu erscheinen, nur dann Informationen oder Empfehlungen an die Kasse weiter geben, wenn der Versicherte eine Entbindung von der Schweigepflicht unterzeichnet hat. Aber auch hier gilt dann weiterhin die Therapiefreiheit.
Ohne diesen Unterbau fehlt der Krankenkasse zudem auch schlicht die Kompetenz, außerhalb des § 51 SGB V oder Aufforderungen, die auf allgemeiner Lebensanschauung beruhen, also dass man bestimmte Erkrankungen beim Facharzt behandeln lassen sollte, in eine Behandlung einzugreifen.
Nun ist es aber so, dass in diesem Fall der Hausarzt gesagt hat, dass die Patientin eine Reha machen sollte, woraufhin die Kasse nun genau das fordert.
Hier ist es dann so: Eine Behandlung ist am Laufen, und das unter fachärztlicher Beteiligung, und damit hat die Patientin zunächst einmal ihre Pflichten erfüllt. Die Wahl der Behandlungsmethode ist auch von der Freien Arztwahl und der Therapiefreiheit gedeckt, es sei denn es greift der § 51 SGB V, der ja eine Einschränkung des Ganzen darstellt. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass es sowohl MdK als auch Krankenkasse auf Grund der Aktenlage offensichtlich sein muss, dass die Empfehlung vom Hausarzt stammt, sich die Patientin aber in fachärztlicher Behandlung befindet. Der Hausarzt ist für eine solche Empfehlung also schon von Werk aus der falsche Ansprechpartner.
§ 66 (2) SGB I ist übrigens keine Erlaubnis dafür, in diese Therapiefreiheit einzugreifen - er regelt nur, was der Versicherte nicht tun muss, wenn er sich einer Heilbehandlung unterzieht. Ein erheblicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit wäre beispielsweise auch eine Operation. Und außerdem kann die Krankenkasse bei solchen Aufforderungen über 1. stolpern: Bei einer Behandlung, zu der an den ärztlichen Sorgfaltspflichten vorbei aufgefordert wird, kann nie mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass sich daraus ein Schaden für Leben und Gesundheit ergibt.
Im vorliegenden Fall würde es ja bedeuten, laufende Behandlungsmaßnahmen zu verschieben, wobei unklar ist, ob die Rehaklinik diese Maßnahmen durchführen kann.
Bei einer Aufforderung zur stationären Behandlung ergeben sich zudem auch daraus Problematiken, dass es sich dabei um eine die persönliche Freiheit einschränkende Maßnahme handelt, die ohne Zustimmung des Patienten nicht angeordnet werden darf.