Neubrechnung von Krankengeld

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Moderator: Czauderna

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graumeise
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Neubrechnung von Krankengeld

Beitrag von graumeise » 26.01.2011, 21:12

Hallo,
ich bin neu hier und suche einen Platz, um meinem Ärger Luft zu machen:
Im März 2010 bin ich an Krebs erkrankt. Seitdem bin ich krankgeschrieben.
Da ich im November 09 meine Altersteilzeit begonnen habe, wurde der Berechnung meines Krankengeldes mein gemindertes Einkommen zugrunde gelegt. Nun war mein Betreibsrat so freundlich und riet mir, die Aufhebung meines Altersteilzeitvertrages zu beantragen, damit ich nicht solche verheerenden finanziellen Einbußen erleben müsste. Nun, der ATZ-Vertrag wurde per 31.08.10 aufgelöst; mein Arbeitgeber stellte an meine Krankenkasse den Antrag, das Krankengeld neu zu berechnen. Mir wurde an angesparte Wertguthaben, also das Geld, was ich tatsächlich von Nov. 09 bis März 10 erarbeitet habe, zurückgezahlt. Natürlich abzüglich der Sozialbeiträge, also auch der Krankenkassenbeiträge.
Die KK lehnte eine Neuberechnung ab, beruft sich dabei auf das SGB V, §47 und auf ein Gerichtsurteil am BSG vom Dezember 2005, wo ein sehr ähnlich gelagerter Fall verhandelt wurde und die betroffene Klägerin verlor.
Im Schreiben der KK heißt es: "Maßgebend für die Höhe des Krankengeldes bleiben die tatsächlichen Verhältnisse im Bemessungszeitraum. Eine Neuberechnung ist daher nicht möglich."
(Hervorhebung von mir). Was bittschön sind "tatsächliche Verhältnisse", wenn der Arbeitgeber mir doch (rückwirkend) das volle Gehalt gezahlt hat???
Da ich auch weiterhin noch arbeitsunfähig bin,(die erforderlichen Therapien brachten Folgeerkrankungen mit sich), werde ich letztlich einen Antrag auf Erwerbsunfähinkeitsrente stellen. Bis dahin jedoch geht mir nun gut und gern die Hälfte des mir eigentlich zustehenden (so in meinem Verständnis) Krankengeldes verloren.
Ich finde, es ist eine Unverschämtheit. Der Gesetzgeber, so heißt es im Kommentar zu dem Gerichtsurteil, hat generell eine Neuberechnung von Krankengeld nicht vorgesehen, um den KK damit verbundenen Aufwandt zu ersparen. Freundlich, nicht wahr?
Ich überlege, ob ich doch noch klagen sollte.
Hat jemand hier ähnliche Erfahrungen machen müssen?
Ich wäre über eine Antwort dankbar.
Freundliche Grüße in die Runde!
graumeise

sozifa90
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Beitrag von sozifa90 » 26.01.2011, 21:24

leider ist die gesetzliche Grundlage so, dass rückwirkende Erhöhungen des gehaltes nciht berücksichtigt werden dürfen, wenn der Anspruch erst danach entsteht

es bleibt der letzte abgerechnete Kalendermonat vor eintritt der Arbeitsunfähigkeit maßgebend - und dabei die zahlen die zu dem Zeitunkt aktuell waren.

eine Klage sehe ich daher mit geringen Erfolgschancen entgegen...

Grundlage hierfür ist das gemeinsame Rundschreiben vom29.11.2009 Punkt 2.1.1.2.3
Rückwirkende Erhöhungen des Arbeitsentgelts werden der der Regelentgeltberechnung berücksichtigt, wenn auf das erhöhte Arbeitsentgelt zum Zeitpunkt des eintritts in die Arbeitsunfähigkeit bereits ein Rechtsanspruch bestand
Das ist hier nicht der Fall

LG

sozifa90

graumeise
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Beitrag von graumeise » 26.01.2011, 21:42

Hallo sozifa90,
besten dank für das rasche Reagieren!
Aber die Beiträge für das Gehalt, weches mir nachträglich gezahlt wurde (es war keine Gehaltserhöhung sondern lediglich wurde mir das Geld ausgezahlt, wofür ich tatsächlich gearbeitet habe) , die darf die KK kassieren, obwohl sie den gesamten Vorgang eigentlich nicht anerkennt...
Versteh ich nicht, bin zu dumm dafür!

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 26.01.2011, 22:11

Bei wesentlichen Änderungen im Inhalt des Arbeitsverhältnisses (z.B. Übergang von Vollzeit- zur Teilzeitarbeit) ist immer auf den letzten Entgeltabrechnungszeitraum zurückzugreifen. Maßgeblich ist hier bis heute die Rechtsprechung des BSG v. 25.6.1991 (1/3 RK 6/90). In der Entscheidung wechselte eine Arbeitnehmerin auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 25 Stunden. Nach Auffassung der beklagten Krankenkasse müsse eine vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bereits wirksam gewordene Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in ein Teilzeitarbeitsverhältnis bei der Berechnung des Krankengeldes berücksichtigt werden, weil damit der Charakter des Beschäftigungsverhältnisses in seinen wesentlichen, zentralen Punkten - Arbeitszeit und Vergütung - geändert werde. Auch unter Berufung auf die Entscheidung des BSG v. 24.7.1985 (8 RK 14/84) wies der zuständige Senat darauf hin, dass für die Krankengeldberechnung hingegen nur ein Lohnabrechnungszeitraum herangezogen werden dürfe, der vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgelaufen und abgerechnet sei. Lohnänderungen, die nach dem Ablauf des maßgeblichen Bemessungszeitraums eintreten, seien daher für die Krankengeldberechnung grundsätzlich unerheblich. Auch führte das BSG an, dass den Regelungen der Lohnfortzahlung zugrundeliegende Lohnausfallprinzip, wonach auch die nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintretenden Änderungen zugunsten wie zuungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, kann auf die Berechnung des Krankengeldes nicht übertragen werden, auch wenn die Lohnfortzahlung an die Stelle eines sonst zu gewährenden Krankengeldes tritt. Bei Sozialleistungen wie dem Krankengeld bleibt es nach Ansicht des BSG - auch mangels einer entsprechenden Regelung - vielmehr bei dem Grundsatz, dass nur ein bis zum Eintritt des Versicherungsfalles verdienter Lohn zu berücksichtigen sei. Das gilt nicht nur zuungunsten des Versicherten, sondern - zu seinen Gunsten - auch dann, wenn nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit eine Lohnminderung eintritt, etwa durch eine Verkürzung der Arbeitszeit. Eine Auslegung, die ein vor der Arbeitsunfähigkeit zwar bereits feststehendes, aber erst für - ausgefallene - Arbeitszeiten bestimmtes Entgelt in die Bemessung mit einbeziehen würde, stünde nicht nur im Widerspruch zu der verbindlich vorgegebenen Bezugsmethode, sondern würde zudem auch dem Umstand widersprechen, dass sich die Höhe des Krankengeldes nach den vorher entrichteten Beiträgen richtet. Hingegen ist der Wechsel von einem Ausbildungs- in ein festes Angestelltenverhältnis als neues Arbeitsverhältnis zu werten und das Entgelt von dem Beginn des Angestelltenverhältnisses bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zugrunde zu legen.
die Kasse denke ich wird da nur wenig machen, denke ich.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 26.01.2011, 22:14

Hallo, unglücklicherweise erfolgt eine Antwort auf eine Fragestellung in diesem Forum auf konkrete, also Ich-bezogene Fälle. Mann muss immer sehr aufpassen, das man mit seiner Antwort der Fragesteller nicht persönlich
meint. Also deshalb - du bist hier nicht persönlich gemeint mit dem nachfolgenden Beispiel, dass nur evtl. die Rechtsprechung zu erläutern versucht.
Beispiel; Arbeitnehmer wird am 15.2. des Jahres arbeitsunfähig die Art der Erkrankung lässt auf eine längere Arbeitsunfähigkeit schliessen. Die Berechnung des zu erwartenden Krankengeldes führt zur Erkenntnis, dass mit dem tatsächlich gezahlten Krankengeld der bisherige Lebensstandart nicht mehr in der Form aufrecht erhalten werdne kann wie vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Berechnungsgrundlage für die Krankengeldhöhe ist in unserem Beispiel der Januar des Jahres. In Absparache mit dem Arbeitgeber hebt dieser am 01.04. des Jahres, also nach Ablauf der sechswöchigen Gehaltsfortzahlung durch den Arbeitgeber rückwirkend zum 01.01. des Jahres das Bruttogehalt des arbeitnehmers um, sagen wir mal 10% an und zahlt auch vom 01.01. bis zum Ende der Entgeltfortzahlungszeitraums die Beiträge an die Kasse nach.
Nun könnte man denken, dass aufgrund der rückwirkenden Erhöhung des Areitsentgeltes zu Beginn des Bemessungszeitraums auch eine Neuberechnung des Krankengeldes erfolgen müsste. Genau, dem ist aber nicht so - Das Entgelt wurde zwar rückwirkend erhöht, aber der Rechtsanspruch auf diese Erhöhung ergab sich erst nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, von daher waren die tatsächlichen Gegebenheiten im Bemessungszeitraum eben die, dass dort weniger Arbeitsentgelt bezogen wurde, und genau das hat dieses Urteil noch einmal klargestellt.
Das durch die rückwirkende Erhöhung des Arbeitsentgeltes auch rückwirkende Beitragspflicht, also Nachzahlung, eingetreten ist, das entspricht auch geltendem Recht.
Wäre dieser Fall in der dritten Person geschildert worden, hätte ich an dieser Stelle noch beigefügt - dumm gelaufen, und das kommt davon wenn man sich vorher nicht genau erkundigt.
Gruss
Czauderna

graumeise
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Beitrag von graumeise » 26.01.2011, 22:29

Herzlichen Dank für die mühevolle Antwort.

"hätte ich an dieser Stelle noch beigefügt - dumm gelaufen, und das kommt davon wenn man sich vorher nicht genau erkundigt. "

In meinem Fall also: bevor ich mir den nächsten Krebs einhandle werde ich mich genau vorher erkundigen, ob es sich auch lohnt...
Danke.
MfG
graumeise

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 26.01.2011, 23:25

Hallo graumeise,
du beweist meine These dass es schwierig ist richtig zu antworten wenn ich die Fragen in der "Ich-Form" gestellt werden. Ich habe dich nicht persönlich gemeint und mein Beispiel war der Versuch einer Erläuterung.
Also bitte ich dich, meinen Beitrag nicht persönlich zu nehmen - es würde mir wirklich leid tun. Ich kann deine Meinung zu deiner Krankengeldberechnung verstehen und auch nachvollziehen,
Die Rechtsprechung gilt aber nunmal grundsätzlich und kann sich daher nicht am Einzelnen orientieren.
Jetzt muss ich aber trotzdem auf deinen Fall direkt eingehen.
Die Krankengeldberechnung als solches orientiert sich übrigens auch nicht an der Diagnose - sie überall gleich, egal ob beim Knochenbruch oder bei einer solch schlimmen Erkrankung wie der deinigen.
Gruss und alles Gute für Dich.
Gruss
Czauderna

graumeise
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Beitrag von graumeise » 27.01.2011, 00:05

Hallo Czauderna,
ist ja schon klar. Und dass das KG unabhängig von der Diagnose ermittelt wird, ist auch klar. Nur ist es natürlich so, dass beim Knochenbruch, um bei Deinem Beispiel zu bleiben, man in absehbarer Zeit wieder arbeiten geht, für gewöhnlich jedenfalls. Und dann also wieder seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann.
Was ich aber immer noch nicht kapiere: Es handelte sich doch nicht um eine Gehaltserhöhung! ATZ bedeutet doch, ich arbeite Vollzeit, wie vor dem ATZ-Vertrag, bekomme aber nur 50% des Gehaltes (plus Aufstockungsbetrag durch das AA), um nach Ablauf der sogen. aktiven Phase des ATZ-Vertrages in die passive Phase zu treten , sprich ich zu Hause bleiben kann und weiterhin Gehalt beziehe. Ich habe also ein "Wertguthaben" erarbeitet. Dieses Wertguthaben lediglich wurde mir nun nach Aufhebung des ATZ-Vertrages ausgezahlt. Also habe ich doch von Ja. 2010 bis März 2010 mein volles Gehalt bekommen! Keine Gehaltserhöhung.
Ich verstehs nicht. Und ich glaube auch nicht, dass die rechtliche Regelung gerecht ist. Es ist in meinen Augen glatter Betrug. Zumal, wie schön erwähnt, die KK-Beiträge geflossen sind.
Aber nun ist es schon spät, wir alle hier ändern die Welt nicht wirklich.
Danke nochmals für die ausführlichen Antworten.
Gute Nacht!
graumeise

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 27.01.2011, 10:55

Rundschreiben v. 29.11.2005 zu diesem Thema

Angesparte Wertguthaben, die nicht gemäß einer Vereinbarung über flexible Arbeitszeitregelungen verwendet werden (z. B. Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Arbeitsphase und Auszahlung des bislang angesparten Guthabens in einer Summe) werden bei der Berechnung des Krankengeldes - auch ggf. rückwirkend - nicht berücksichtigt.

Ich verstehe deinen persönlichen Frust, sehr gut sogar. Aber ic sehe da leider auch keine Handhabe dagegen, leider, leider.

graumeise
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Beitrag von graumeise » 27.01.2011, 20:54

Herzlichen Dank nochmals für die Antworten.
Ich habe inzwischen eine Beratung beim Sozialverband gesucht. Der dort tätige Jurist riet mir: Sofort einen Rentenantrag stellen und gleichzeitig aufs Arbeitsamt, Antrag auf ALG1 stellen, nach § 125 SGB III. Damit hätte ich dann mehr als das jetzige Krankengeld. Kommt mir utopisch vor. Zudem , das ALG1 bezieht sich dann auf mein Gehalt oder auf das KG, was ich erhalten habe?
Ich habe mal nach dem § zur Nahtlosigkeit gegoogelt, denke aber, es trifft für mich auch nicht so recht zu, da ja noch KG gezahlt wird.
Was sagen die Experten?
Wäre schön, jemand hier kennt sich auch hierbei aus.
Danke schon im Voraus!
graumeise

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