Persönliche Begutachtung durch den MDK

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Moderator: Czauderna

billy
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Persönliche Begutachtung durch den MDK

Beitrag von billy » 24.07.2015, 13:43

Ich mache zu diesem Thema jetzt bewusst einen neuen Thread auf. In einem anderen Thread hier kommt dieses Thema immer wieder auf und ich denke, dort gehört die Frage nicht hin (denn dem TE hilft das im Moment nicht weiter). Also.....

Immer wieder wird von verschiedenen Usern das Argument vorgebracht, bei PSYCHISCHEN Erkrankungen muss zwingend eine persönliche Begutchtung erfolgen. Im Umkehrschluss.....bei anderen Erkrankungen wäre das zwar gut, aber da geht es schon mal ohne. Woher kommt diese These?

Mir ist bekannt, dass bisher zwei LSG zu psychischen Krankheiten so geurteilt haben. Und ich weiß auch, dass sich diverse SG dieser Auffassung anschließen. Mir sind aber auch. -aus drei Bundesländern- Verfahren bekannt, wo sich weder SG noch LSG auf diesen Weg begeben haben und erst durch Gerichtsgutachten eine Klärung der Sache erfolgte (die nicht nötig gewesen wären, wenn man der These folgt. Dann hätte es eine glatte Klageabweisung geben müssen). Woher also die Eindeutigkeit der genannten These?

Nicht falsch verstehen....auch ich befürworte die persönliche Begutachtung (allerdings bei ALLEN Erkrankungen). Nur woher genau kommt eure Gewissheit, dass es sich bei psychischen Erkrankungen um eine MUSS-Bestimmung handelt. Vor allem auch deshalb, weil sich nicht bundesweit Gerichte danach orientieren?

Grüße
billy

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 24.07.2015, 14:27

lies dir doch mal diesen Beitrag durch:
http://www.krankenkassenforum.de/die-re ... =gutachten

ich denke, diese Grundsätze sollten auch für den MDK gelten - weil er eben Gutachten erstellt, die im Sozialrecht genutzt werden

als medizinischer Laie stelle ich mir auch die Frage, wie bei einer psych. Erkrankung eine sichere Beurteilung ohne Untersuchung erfolgen soll - es gibt keine bildgebenden Verfahren, wie z. B. Röntgembilder, Ergebnisse aus MRT oder CT, es gibt keine Laborergebnisse oder andere "greifbaren" Befunde. Nur die Einschätzungen der behandelnden Ärzte. Diese Einschätzungen können natürlich richtig oder falsch sein - aber wie wollen die Ärzte des MDK das herausfinden ohne eigene Einschätzung aufgrund einer persönlichen Untersuchung?

Wenn der MDK die Einschätzung der behandelnden Ärzte (z. B. arbeitsunfähig) teilt, halte ich das noch für unproblematisch. Wenn aber der MDK-Arzt zu einem anderen Ergebnis kommt als der behandelnde Arzt, halte ich eine Untersuchung für notwendig.

billy
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Beitrag von billy » 24.07.2015, 14:50

Danke LB für den Link. Nur der Aufsatz eines Richters -und damit seine persönliche Meinung- beantwortet meine Frage nicht. Woraus wird abgeleitet, dass bei psychischen Erkrankungen eine persönliche Untersuchung notwendig ist, bei anderen aber nicht? Laut den AU-Richtlinien darf AU nur nach persönlicher Untersuchung festgestellt werden. Und für die Feststellung von AF gilt dies nur noch für psychische Erkrankungen? Müsste das dann nicht grundsätzlich gelten?

Die AU-Richtlinien haben keinen gesetzgeberischen Charakter. Ebenso wenig wie der verlinkte Aufsatz. Also worauf stützt sich die These, vor allem wenn sie in Widerspruchsbegründungen als Hauptargument genutzt wird. Und warum urteilen dann nicht alle Gerichte gleich. Wie schon gesagt....aus drei Bundesländern ist mir eine gegenteilige richterliche Auffassung bekannt und durchaus bis zum LSG.

Gibt es eine Quelle mit rechtssicherer Bedeutung (außer den einzelfallurteilen?)

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 24.07.2015, 14:57

Sorry billy, die Anfrage habe ich erst gesehen, nachdem ich im Nachbarthread meinen Senf dazu abgelassen habe. Vielleicht schaust du doch mal dort nach *duckundwech*?

KKA
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Re: Persönliche Begutachtung durch den MDK

Beitrag von KKA » 24.07.2015, 15:06

billy hat geschrieben: Nicht falsch verstehen....auch ich befürworte die persönliche Begutachtung (allerdings bei ALLEN Erkrankungen). Nur woher genau kommt eure Gewissheit, dass es sich bei psychischen Erkrankungen um eine MUSS-Bestimmung handelt. Vor allem auch deshalb, weil sich nicht bundesweit Gerichte danach orientiert
Eine gute, jedoch, soweit ich es als Laie beurteilen kann, in der Gesetzgebung nicht eindeutig beantwortete Frage.

Lady B. hat die plausibelste aller Antworten geliefert. Psychische Krankheiten sind im klassisch-medizinischen Sinne nicht greifbar. Warum Gerichte unterschiedlich urteilen? Zu vermuten ist die Beurteilung individuell unterschiedlicher Sachlagen. Die Diagnose 'Depression' kann sich in vielfältiger Form auslegen. Denkbar sind auch Fälle, in denen Gefälligkeitsgutachten vom HA erstellt werden und die Klage läuft ins Leere. Insofern, vermute ich, sind die abgewiesenen Klagen eher die Ausnahme.

PS.
Bei psychischen Krankheiten sollte m.E. immer eine fachärztliche Konsultation/Beurteilung, zumindest innerhalb einer angemessenen Zeitspanne (z.B. bis zum Facharzttermin), den KRG Anspruch untermauern. Da schließe ich mich, ausnahmsweise zu diesem Thema, GKV an, denn ein HA verfügt i.d.R. nicht über die notwendige Ausbildung/Erfahrung, mittlere bis schwere Depressionen zu behandeln.

Gruß
KKA

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 24.07.2015, 15:54

billy hat geschrieben:Danke LB für den Link. Nur der Aufsatz eines Richters -und damit seine persönliche Meinung- beantwortet meine Frage nicht. Woraus wird abgeleitet, dass bei psychischen Erkrankungen eine persönliche Untersuchung notwendig ist, bei anderen aber nicht? Laut den AU-Richtlinien darf AU nur nach persönlicher Untersuchung festgestellt werden. Und für die Feststellung von AF gilt dies nur noch für psychische Erkrankungen? Müsste das dann nicht grundsätzlich gelten?

Die AU-Richtlinien haben keinen gesetzgeberischen Charakter. Ebenso wenig wie der verlinkte Aufsatz. Also worauf stützt sich die These, vor allem wenn sie in Widerspruchsbegründungen als Hauptargument genutzt wird. Und warum urteilen dann nicht alle Gerichte gleich. Wie schon gesagt....aus drei Bundesländern ist mir eine gegenteilige richterliche Auffassung bekannt und durchaus bis zum LSG.

Gibt es eine Quelle mit rechtssicherer Bedeutung (außer den einzelfallurteilen?)
richtig - es ist die Meinung eines Richters. Allerdings solltest du dir den Aufsatz mal genauer anschauen
Bei psychiatrischen Begutachtungen ist eine persönliche Untersuchung durch den Sachverständigen selbst unabdingbar; in anderen Fachgebieten hängt es vom Einzelfall ab.16
Die körperliche Untersuchung ist Kernstück der Begutachtung und auch bei einem psychiatrischen Gutachten nicht entbehrlich. Werden Bewegungsmaße aufgenommen, sind diese exakt zu erfassen (Neutral­O­Methode) und dabei sollte auch angegeben werden, ob es sich um die aktive oder die passive Beweglichkeit handelt.27
Auch in psychiatrischen Gutachten stellt allein die Aufnahme der Beschwerdeangaben keine tragfähige Grundlage für
die Feststellung des Befundes dar.28 Sie ist mit der Beobachtung des Probanden und der sonstigen Konsistenz­/Plausibilitätsprü-fung zu verbinden. Normierte Testverfahren (Selbst­ und Fremdbeurteilungsfragebögen, computergestützte Verfahren)29 sind eine wichtige Erkenntnisquelle. Weiter geht die üblicherweise von einem Psychologen durchgeführte testpsychologische Untersuchung oder Zusatzbegutachtung. Das völlige Fehlen einer Testung stellt einen Mangel des Gutachtens dar.30 Raum muss aber auch für den persönlich gewonnenen Eindruck des Sachverständigen bleiben. Insbesondere in psychiatrischen Gutachten ließe sich bei einer Beschränkung auf „harte Fakten“ oftmals nur der Negativbe-weis führen (der Proband simuliert oder aggraviert) oder feststel¬len, dass die Beschwerdeangaben allein möglicherweise zutreffen können. Ein positiver Nachweis darf aber nicht von vornherein ausscheiden. Der erfahrene Diagnostiker und Therapeut kann durchaus eine Einschätzung abgeben, ob die Beschwerdeangaben authentisch sind.
Die Erhebung der Befundtatsachen soll nicht schema-tisch durchgeführt, sondern auf das Notwendige beschränkt wer¬den.31
der Aufsatz enthält Fußnoten, die am Ende mit Quellen unterlegt werden:
16 Becker, MedSach 2008, 85, 88; Feddern/Widder, MedSach 2009, 93; Roller,
in: Lüdtke, SGG, 4. Aufl. 2012, § 118 Rn. 22 m. w. N.; Steiner, MedSach 2010,
245, 248; Toparkus, MedSach 2012, 330, 331 (zur Schmerzbegutachtung).
28 Stevens/Fabra/Merten, MedSach 2009, 100, 103; Drechsel­Schlund, MedSach 2006, 63, 64 unter Hinweis auf BSG v. 9. April 2003 – B 5 RJ 80/02 B.
29 Francke, ASR 2011, 92, 94; Lang, Diskussionsforum Rehabilitations­ und Teilhaberecht, Forum C, Diskussionsbeitrag 10/2011; Stevens/Fabra/Merten, MedSach 2009, 100, 103.
30 VG Gießen, Urteil vom 16. 11. 2009 – 21 K 1220/09. GI. B, NVwZ­RR 2010, 481, 483.
31 A. A. Deutsch­Schmid, Sozialrecht aktuell 2008, 121, 124: immer Gesamtstatus „von Kopf bis Fuß“ zu erheben.
Unter den Quellen befinden sich neben Fachliteratur und Kommentaren und Urteile mit Aktenzeichen - wobei ich mir die Urteile nicht alle durchgelesen habe.

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 24.07.2015, 16:19

GerneKrankenVersichert hat geschrieben: Nun gibt es drei Möglichkeiten, was die Kasse vom MDK vorliegen hatt, auch wenn im allgemeinen Sprachgebrauch immer das Wort "Gutachten" verwendet wird.

1. Der MDK konnte die aktuellen Krankheitsauswirkungen zur beruflichen Tätigkeit nicht angleichen und hat ein Leistungsbild erstellt. Aufgrund dieses Leistungsbildes hat die Krankenkasse entschieden, dass ab 01.08.15 keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorliegt und dich an die Agentur für Arbeit verwiesen.

Die Erstellung eines Leistungsbildes ist allerdings nur mit persönlicher Befunderhebung und Begutachtung des MDK zulässig, egal bei welcher Erkrankung (Seite 43)

2. Der MDK hat die Arbeitsfähigkeit im Rahmen der sogenannten sozialmedizinischen Fallberatung (SFB) festgestellt. Die SFB findet zwischen dem Mitarbeiter der Kasse und dem MDK statt und kann durch verschiedene Instrumente (u. a. MDK-Arzt-Telefonat oder aber auch persönliche Begutachtung) ergänzt werden. Welches Instrument der MDK nutzt, bleibt ihm überlassen (Seite 51 - 52).

Das Ergebnis dieser SFB kann sein, dass keine weitere Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Sollte die Einschätzung des MDK auf einer SFB beruhen, ist es m. E. nicht zielführend, mit angeblichen Mängeln des Gutachtens (dazu siehe Punkt 3) zu argumentieren. Denn die Anforderungen an eine SFB sind andere als an ein Gutachten.

3. Der MDK konnte die Frage der Krankenkasse im Rahmen der SFB nicht beantworten. Dann wird eine Begutachtung durch die Krankenkasse veranlasst (Seite 55). Und auch hier entscheidet wieder der MDK, ob das Gutachten nach Aktenlage oder aufgrund einer persönlichen Begutachtung erstellt wird. Zu den Unterschieden verweise ich auf den Text ab Seite 55, der ist allgemeinverständlich formuliert.

Den immer wieder genannten Grundsatz, dass bei psychischen Erkrankungen nur eine persönliche Begutachtung erfolgen darf, gibt es in der Form nicht. Er wird mit einem LSG-Urteil begründet, in dem das LSG ausführt, dass ein Gutachten ohne bestimmte Inhalte nicht zulässig ist. Kann der MDK sich die geforderten Inhalte jedoch auf einem anderen Weg beschaffen (z. B. fachärztliche Befunde, Entlassungsberichte), kann er durchaus entscheiden, dass er auf eine persönliche Begutachtung verzichtet. Das Risiko, dass das Gericht dies anders beurteilt, liegt bei der Krankenkasse. Sie kann dem MDK jedoch nicht vorschreiben, wie er zu seiner Entscheidung gelangt. In der Praxis bedeutet das, dass wir bei "unsicheren" Gutachten das Gespräch mit dem MDK suchen und wenn er nicht nachbessert, das Gutachten nicht in letzter Konsequenz durchgesetzt wird. Diese Entscheidung steht einer Kasse frei. Allerdings steht ja vor einer Klageerhebung immer noch ein Zweitgutachten, das in den meisten Fällen nach einer persönlichen Begutachtung erstellt wird. Dazu jedoch weiter unten mehr.

------

Soviel zur Theorie. Kommen wir nun zur Praxis. Wenn alles richtig gelaufen ist, hat die Kasse dir mitgeteilt, dass sie beabsichtigt, die Arbeitsunfähigkeit zum 31.07.2015 zu beenden (die sogenannte Anhörung). Daraufhin hast du der Kasse mitgeteilt, aus welchen Gründen du damit nicht einverstanden bist und dass dein Arzt in Urlaub ist. Diese Information ist für die Kasse wichtig, denn nun splittet sich das Ganze wieder in zwei Bereiche auf (schön beschrieben ab Seite 59):

1. Deine Informationen, die an den MDK weitergeleitet wurden und die nach Rücksprache mit deinem Arzt
1.1. bei vorheriger SFB zu einer erstmaligen Begutachtung oder
1.2 bei vorheriger Begutachtung zu einer Zweitbegutachtung führen wird und

2. Die Möglichkeit deines Arztes, ein Zweitgutachten zu verlangen, das normalerweise nach einer persönlichen Begutachtung erstellt wird.

Die Kasse/der MDK weiß nun, dass dein Arzt nicht deshalb unmittelbar kein Zweitgutachten verlangt hat, weil er sich der Meinung des MDK anschließt, sondern weil er im Urlaub ist.

- Wie immer keine Rechtsberatung -
der Einfachheit halber die Antwort in diesem Thread

wie GKV schon geschrieben hat: im allgemeinen Sprachgebrauch wird immer von "Gutachten" gesprochen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine "sozialmedizinische Beratung", um eine kurze Stellungnahme oder tatsächlich ein Gutachten handelt. Ich könnte mir nun feststellen, dass die Einstellung aufgrund eines Gutachtens möglich ist. Nicht jedoch die Einstellung aufgrund einer sozialmedizinischen Begutachtung.

Auf die Schnelle hab ich das hier gefunden:
Die gesetzlichen Krankenkassen sind berechtigt und in bestimmten Fällen sogar verpflichtet, zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen (§ 275 SGB V).

Wenn der MDK die Arbeitsfähigkeit als wiederhergestellt ansieht, kann die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes einstellen. In der Praxis ist zu beobachten, dass von Seiten des MDK nur kurze Vermerke nach Aktenlage anstelle echter Gutachten gefertigt werden. Das ist nicht rechtmäßig. Ein kurzer Vermerk ist keine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des Gesetzes und deshalb auch nicht geeignet, die Einstellung des Krankengeldes zu rechtfertigen. Eine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des Gesetzes verlangt zumindest, dass der begutachtende Arzt sich mit den ihm bekannten Befunden und Diagnosen der behandelnden Ärzte auseinandersetzt, einen Bezug zum Leistungsvermögen des Versicherten herstellt und eine eigenständige Beurteilung abgibt. Die Richtigkeit der ärztlichen Äußerung muss überprüfbar sein. Eine Stellungnahme per Formular ist kein ärztliches Gutachten (Bundessozialgericht U. v. 07.08.1991 – 1/3 RK 26/90).
Quelle: https://www.google.de/search?q=mdk+guta ... sgG4i4nwBw

vielleicht hat jemand weitere Quellen aus denen hervorgeht, was tatsächlich gemeint ist? Einstellung des Krankengeldes auch aufgrund einer kurzen Stellungnahme bzw. einer SFB zulässig, oder nur aufgrund eines Gutachtens?

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 24.07.2015, 16:31

Lady Butterfly hat geschrieben:Einstellung des Krankengeldes auch aufgrund einer kurzen Stellungnahme bzw. einer SFB zulässig, oder nur aufgrund eines Gutachtens?
aufgrund einer kurzen Stellungnahme - nein
aufgrund einer SFB - ja - siehe Begutachtungsanleitung. Ende der AU bedeutet auch Ende Krankengeld, da eine Voraussetzung wegfällt

Und wenn sich Arzt, Patient und MDK nicht einig sind, muss zwingend ein Gutachten erstellt werden, siehe Begutachtungsanleitung.

Das heißt, jede Krankenkasse die zulässt, das ein Fall ohne ordentliches Gutachten bis zum Sozialgericht geht, hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 24.07.2015, 16:51

GerneKrankenVersichert hat geschrieben:
Lady Butterfly hat geschrieben:Einstellung des Krankengeldes auch aufgrund einer kurzen Stellungnahme bzw. einer SFB zulässig, oder nur aufgrund eines Gutachtens?
aufgrund einer kurzen Stellungnahme - nein
aufgrund einer SFB - ja - siehe Begutachtungsanleitung. Ende der AU bedeutet auch Ende Krankengeld, da eine Voraussetzung wegfällt

Und wenn sich Arzt, Patient und MDK nicht einig sind, muss zwingend ein Gutachten erstellt werden, siehe Begutachtungsanleitung.
zunächst mal: die Begutachtungsanleitung beschreibt nur die Zusammenarbeit der MDK mit den Kassen und die Art (SFB), wie eine Begutachtung erfolgen soll. Sie beschreibt nicht, wann die Kasse berechtigt ist, Krankengeld zu zahlen bzw. einzustellen.

Wenn der Arzt eine laufende AU ausstellt und der MDK ist der Meinung, dass Arbeitsfähigkeit besteht, dürfte im Allgemeinen klar sein, dass sich Arzt und MDK nicht einig sind. Und hier stimme ich dir zu: dann ist ein Gutachten erforderlich.

Daraus ergibt sich für mich folgendes: als Ergebnis der SFB oder der vorliegenden Unterlagen bestehen für MDK und/oder Krankenkasse Zweifel an der AU und die aufgrund dessen hat die Kasse die Absicht, die Krankengeldzahlung einzustellen => es sollte ein Gutachten des MDK veranlasst werden

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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 24.07.2015, 17:19

Bei deinen Fragen stelle ich mir die Frage, worin deine Erfahrung im Krankengeld-Fallmanagement besteht. Ganz ehrlich und ohne streitlustige Hintergedanken.
Lady Butterfly hat geschrieben: zunächst mal: die Begutachtungsanleitung beschreibt nur die Zusammenarbeit der MDK mit den Kassen und die Art (SFB), wie eine Begutachtung erfolgen soll. Sie beschreibt nicht, wann die Kasse berechtigt ist, Krankengeld zu zahlen bzw. einzustellen.
Die Kenntnis der entsprechendenn Rechtgrundlagen hatte ich in diesem Teilnehmerkreis vorausgesetzt und nicht extra benannt.

Lady Butterfly hat geschrieben: Wenn der Arzt eine laufende AU ausstellt und der MDK ist der Meinung, dass Arbeitsfähigkeit besteht, dürfte im Allgemeinen klar sein, dass sich Arzt und MDK nicht einig sind. Und hier stimme ich dir zu: dann ist ein Gutachten erforderlich.
Wenn der Arzt der Einschätzung des MDK widerspricht, ist ein Gutachten erforderlich.

Wenn er sich der Einschätzung des MDK anschließt (in der Praxis oft nach einem Telefonat des MDK-Arztes mit dem Arzt, bei dem der Arzt z. B. über die ihm nicht bekannten Anforderungen der Bezugstätigkeit oder eine ihm nicht bekannte Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses informiert wird), ändert daran auch eine vorhergehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nichts.
Lady Butterfly hat geschrieben: Daraus ergibt sich für mich folgendes: als Ergebnis der SFB oder der vorliegenden Unterlagen bestehen für MDK und/oder Krankenkasse Zweifel an der AU und die aufgrund dessen hat die Kasse die Absicht, die Krankengeldzahlung einzustellen => es sollte ein Gutachten des MDK veranlasst werden
Nein. Eben nicht. Wegen siehe oben. Die meisten Fälle werden bei uns nicht entgegen der Einschätzung des Arztes beendet, sondern mit seiner Zustimmung nach einem Telefonat mit dem MDK im Rahmen der SFB. Das heißt, die Beendigung der AU ist auch im Rahmen der SFB möglich.

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Beitrag von Lady Butterfly » 24.07.2015, 17:36

Wenn alle Beteiligten (insbesondere der behandelnde Arzt und der Versicherte) einverstanden sind, kann man eine AU auch ganz ohne MDK beenden. Ich gehe mal einfach davon aus, dass die meisten AUs so beendet werden....jemand wird gesund und die AU endet.

Wenn man jemanden im Gespräch überzeugen kann, braucht man ebenfalls kein Gutachten, übrigens auch keine SFB - wenn man sich im Anschluss an das Gespräch einig ist. Wenn jemand zwar mit der Beendigung einverstanden ist, sich aber nicht - in welcher Art auch immer - wehrt, passiert auch nix mehr. Und zwar unabhängig davon, wer im Recht ist. Ob es dem Versicherten tatsächlich besser geht, er sich nicht wehren will oder kann, resigniert, oder bei sich denkt, dass es den Aufwand nicht lohnt spielt dabei keine Rolle.

Das ist doch die Praxis: wo kein Kläger, da kein Richter.

Hier geht es aber nicht um solche Fälle, sondern darum ob es irgendeine Rechtsgrundlage für derartiges Handeln gibt. Und nun ja: die AU-Begutachtungsrichtlinien sind keine Rechtsgrundlage, sie sind für die Versicherten nicht verbindlich. Auch nicht für Gerichte.

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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 24.07.2015, 18:45

Lady Butterfly hat geschrieben: Hier geht es aber nicht um solche Fälle, sondern darum ob es irgendeine Rechtsgrundlage für derartiges Handeln gibt. Und nun ja: die AU-Begutachtungsrichtlinien sind keine Rechtsgrundlage, sie sind für die Versicherten nicht verbindlich. Auch nicht für Gerichte.
:shock:

Ich hoffe für eure Versicherten, dass du nicht im Krankengeldfallmanagement tätig bist. Wofür hättest du denn gerne eine Rechtsgrundlage? Einschaltung des MDK? Erlass einer Begutachtungsanleitung? Einstellung des Krankengeldes? Oder ganz was anderes? Vielleicht, wo die Selbstverwaltung gesetzlich geregelt ist?

broemmel
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Beitrag von broemmel » 24.07.2015, 21:39

Erst einmal Danke an Billy für das Thema.

Ich habe diese These die von irgend jemand mal in den Raum geworfen wurde sowieso nie verstanden.

Alter Grundsatz. Die Antwort vom MDK ist immer nur so gut wie die Fragestellung und wie die vorgelegten Unterlagen. Wenn aussagefähige Unterlagen vorliegen kann der MDK natürlich auf arbeitsfähig erkennen. Auch ohne persönliche Begutachtung. Ob die notwendig ist entscheidet nämlich immer der MDK. Wenn er also eine fundierte Beurteilung anhand der Unterlagen vornehmen kann wird er das auch tun.

Was das Gericht anerkennt steht auf einem ganz andren Blatt. Einige wollen ein neues Gutachten, andere erkennen den MDK an. Jeweils eine Entscheidung des SG.

Und man erlebt ja alles. Es gibt bestimmt Kassen die hingerichtet Vermerken als Gutachten ansehen. Es gibt ja immer die berühmten Apotheken mit den Pferden davor. Aber das sind Ausnahmen. Fast alle Kassen arbeiten korrekt.

billy
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Beitrag von billy » 25.07.2015, 10:57

Guten Morgen erstmal!

Wenn ich mir eure Stellungnahmen durchlese, stelle ich fest, dass hier sehr unterschiedliche Meinungen vorliegen. Daraus schließe ich jetzt, dass es offensichtlich keine rechtsverbindliche Grundlage gibt, nach der bei psychischen Erkrankungen eine persönliche Begutchtung zwingend erfolgen MUSS.

Das würde erklären, warum die Rechtsprechung der ersten und zweiten Instanz uneinheitlich ist. Auf gut Deutsch: es ist auch ein Stück weit Zufall oder Glück, ob man mit diesem Argument weiterkommt. Und offenbar agieren da Krankenkassen auch recht unterschiedlich.....bei LB würde offenbar eine KG-Einstellung nach Aktenlage bei einem psychisch Kranken gar nicht passieren (zumindest interpretiere ich deine Äußerungen so).

Ist es nicht aber ein großer Widerspruch, wenn eine AU nur nach persönlicher Untersuchung festgestellt werden darf, eine AF aber durchaus nur nach Aktenlage. Und zwar jetzt mal völlig unabhängig davon, ob der Versicherte psychisch krank ist oder Rücken, Herz oder sonstwas hat. Ich finde das jedenfalls widersprüchlich. Oder gibt es dafür logische nachvollziehbare Gründe?

Grüße
billy

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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 25.07.2015, 14:55

billy hat geschrieben: Wenn ich mir eure Stellungnahmen durchlese, stelle ich fest, dass hier sehr unterschiedliche Meinungen vorliegen. Daraus schließe ich jetzt, dass es offensichtlich keine rechtsverbindliche Grundlage gibt, nach der bei psychischen Erkrankungen eine persönliche Begutchtung zwingend erfolgen MUSS.
Ja. Ich gehe davon aus, dass wie in der Vergangenheit eine Änderung der Begutachtungsanleitung erfolgen würde, wenn das BSG entschieden hätte. Wie z. B. die Änderung in der Frage 51,1 erfolgte, nachdem das BSG entsprechende Grundsätze aufgestellt hat. Jetzt kann man natürlich wieder darüber diskutieren, ob diese Begutachtungsanleitung rechtsverbindlich ist, aber im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass eine Kasse in einem Rechtsstreit wahrscheinlich schon in der ersten Instanz scheitern würde, wenn sie mit einem Gutachten in den Ring steigt, das den Anforderungen der BSG-Rechtssprechung nicht genügt.
billy hat geschrieben: Das würde erklären, warum die Rechtsprechung der ersten und zweiten Instanz uneinheitlich ist. Auf gut Deutsch: es ist auch ein Stück weit Zufall oder Glück, ob man mit diesem Argument weiterkommt. Und offenbar agieren da Krankenkassen auch recht unterschiedlich.....bei LB würde offenbar eine KG-Einstellung nach Aktenlage bei einem psychisch Kranken gar nicht passieren (zumindest interpretiere ich deine Äußerungen so).
Es würde mich sehr wundern, wenn es eine Kasse gäbe, die das so handhabt. Denn wenn der MDK entscheidet, dass er nach Aktenlage entscheidet, hat keine Kasse die Möglichkeit, eine persönliche Begutachtung zu verlangen. Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Allerdings wäre das wohl bei allen Kassen nur der erste Schritt, bei einem Widerspruch wird - sofern der MDK seine Einschätzung nicht ändert - zumindest von unserem MDK immer persönlich und durch einen Facharzt begutachtet.
billy hat geschrieben: Ist es nicht aber ein großer Widerspruch, wenn eine AU nur nach persönlicher Untersuchung festgestellt werden darf, eine AF aber durchaus nur nach Aktenlage. Und zwar jetzt mal völlig unabhängig davon, ob der Versicherte psychisch krank ist oder Rücken, Herz oder sonstwas hat. Ich finde das jedenfalls widersprüchlich. Oder gibt es dafür logische nachvollziehbare Gründe?
Die AU-Feststellung ist nicht so schwarz und weiß, wie sie auf dem Papier dargestellt wird. Hand auf's Herz, wer wird tatsächlich von seinem Arzt eingehend über seine berufliche Situation befragt, wenn er "Rücken" oder "Erschöpfung" hat? Zumindest die ersten Krankschreibungen erfolgen zwar nach persönlicher Untersuchung oder oft auch nur nach einem Gespräch, aber die berufliche Komponente bleibt häufig außen vor.

Was ich damit sagen will - eine persönliche Untersuchung sagt nichts darüber aus, ob die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich gerechtfertigt ist, wenn die Bezugstätigkeit ausgeblendet wird. Und auch wenn sie einbezogen wird, bleiben Zweifelsfälle übrig, bei denen der behandelnde Arzt aus nachvollziehbaren Gründen auf "arbeitsunfähig" entscheidet.

Der MDK legt sein Hauptaugenmerk auf die Bezugstätigkeit und gleicht die vorgelegten Arztanfragen, Arztberichte und Befunde damit ab. Er muss z. B. anders als der behandelnde Arzt keine Diagnostik veranlassen, sondern die Befunde bewerten. Bei Unklarheiten hilft ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt oft weiter, eher als eine persönliche Begutachtung. Und, auch das muss man ehrlich sagen, hat der MDK nicht die Kapazitäten, um in jedem Fall eine persönliche Begutachtung durchzuführen. Ganz abgesehen von den fehlenden technischen Möglichkeiten. Der MDK kann nicht mal schnell ein CT oder ein Langzeit-EKG durchführen, wohl aber das vorgelegte CT oder Langzeit-EKG bewerten. Und dazu braucht er den Patienten nicht, anders als der Arzt, der CT oder Langzeit-EKG durchführt. Das alleinige Bewerten vorgelegter Befunde kann allerdings dazu führen, dass wichtige Dinge außer Acht gelassen werden, da der MDK nichts davon weiß. Und wenn der Arzt dann nicht zu einem Gespräch bereit ist, kann es schon passieren, dass aufgrund der Aktenlage eine Entscheidung getroffen wird, die bei näherem Hinsehen nicht korrekt ist. Deshalb gibt es die Möglichkeit des Widerspruches und/oder der Zweitbegutachtung, bei der diese Dinge dann berücksichtigt werden und meist eine persönliche Begutachtung erfolgt. Aber die persönliche Begutachtung aller Patienten ist nicht leistbar.

Und auch beim MDK bleiben Zweifelsfälle übrig - und wenn diese dann mit "arbeitsfähig" bewertet werden, entscheidet einfach die Reaktion des Versicherten und/oder seines Arztes darüber, wie es weitergeht. Oft ist das dann auch der benötigte "Stubser", um einen Facharzt einzuschalten, eine Reha zu beantragen oder sonstiges.

Arbeitsunfähigkeitsfälle sollen und dürfen nicht schematisch bearbeitet werden, da kranke Menschen betroffen sind. Und genausowenig zielführend ist es, ohne Kenntnis der gesamten Umstände Tipps wie "Gutachten nach Aktenlage ist nicht korrekt" "Der behandelnde Arzt entscheidet, ob ein Urlaub möglich ist" oder "Lege Widerspruch ein, die sagen sowieso immer zuerst, man sei arbeitsfähig" zu geben.

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