Minderjähriger Selbstständiger

GKV - PKV wie kann man sich am besten versichern?

Moderator: Czauderna

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Lama
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Minderjähriger Selbstständiger

Beitrag von Lama » 16.04.2019, 14:52

Hallo,

da mein Fall doch recht speziell ist, hoffe ich hier auf weitere Auskunft. Ich bin minderjährig und habe mich im September 2018 mit einem Gewerbe Selbstständig gemacht. Aufgrund dessen, dass ich den Großteil meiner Einnahmen durch einen einzigen Kunden erziele, habe ich mich bereits wegen dieser arbeitnehmerähnlichen Selbstständigkeit bei der Rentenversicherung zeitlich befreien lassen, entweder bis sich meine Einnahmen auf mehrere Kunden verteilen oder ich die Selbstständigkeit aufgebe. Im Jahr 2018 habe ich ein Einkommen von 7000€ und im laufenden Jahr bisherige Einnahmen von 9000€ erzielt (ca. 2500€ monatliches Einkommen). Bis jetzt bin ich jedoch in der gesetzlichen Familienversicherung meiner Eltern mitversichert. Nach dem ich mich bei der Krankenkasse gemeldet habe, wurde mir ein Mitgliedsantrag zugesendet.


Meine Fragen:
1) Wie wird mein nachzuzahlender Beitrag für das Jahr 2018 und 2019 errechnet? Wird das Einkommen auf dem Einkommensteuerbescheid bspw. für das Jahr 2018 durch zwölf oder vier geteilt?

2) Ich erwäge wegen der undurchsichtigen Beitragshöhe bei der GKV aufgrund meines schwankenden Einkommens einen Beitritt in die PKV. Kann ich bei Aufgabe meiner Selbstständigkeit ohne Weiteres zurück in die Familienversicherung?

3) Meine Arbeitszeit in der Woche beträgt meistens weniger als 10 Stunden, des Weiteren besuche ich immer noch die Schule und mache mein Abitur. Gibt es hier im Bezug auf die Krankenversicherung etwas zu beachten?

4) Bei einem Verbleib bei meiner jetzigen Krankenkasse wurde mir bereits versichert, dass meine laufende kieferorthopädische Behandlung mit einer Zahnspange weiterhin übernommen wird. Muss die Behandlung bei einem Wechsel zu einer PKV ebenfalls übernommen werden oder hängt dieses von dem Versicherer ab? Hierzu erhielt ich leider von derselben PKV zwei unterschiedliche Antworten.


Liebe Grüße
Lama

RHW
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Re: Minderjähriger Selbstständiger

Beitrag von RHW » 16.04.2019, 17:49

Hallo,

vorab noch zwei Gegenfragen:

- Liegt schon ein Einkommensteuerbescheid vor? Wenn ja, welches Datum trägt er?

- Wurden von den angegebenen Beträgen schon Kosten (z.B. Fahrkosten, Strom, Programme, Gebühren, ....=) abgezogen?

Gruß
RHW

Lama
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Re: Minderjähriger Selbstständiger

Beitrag von Lama » 16.04.2019, 19:01

RHW hat geschrieben:
16.04.2019, 17:49
Hallo,

vorab noch zwei Gegenfragen:

- Liegt schon ein Einkommensteuerbescheid vor? Wenn ja, welches Datum trägt er?

- Wurden von den angegebenen Beträgen schon Kosten (z.B. Fahrkosten, Strom, Programme, Gebühren, ....=) abgezogen?

Gruß
RHW
Hallo,

von den Beträgen habe ich bereits alle meine Betriebskosten abgezogen, die sollten auch so anerkannt werden. Der Einkommensteuerbescheid liegt mir leider noch nicht vor.

Liebe Grüße
Lama

RHW
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Re: Minderjähriger Selbstständiger

Beitrag von RHW » 17.04.2019, 09:38

Hallo,

1) entscheidend ist der Gesamtbetrag der Einkünfte laut Einkommensteuerbescheid. Wenn man den Beginn der Selbständigkeit plausibel belegen kann (z.B. Gewerbeanmeldung) werden die Einkünfte von der Krankenkasse auf den kürzeren Zeitraum verteilt.

Wenn die Einkünfte (bisher) nicht genau zu berechnen sind, wird die Krankenkasse sich hiernach richten:
https://www.aok-business.de/fileadmin/u ... traege.pdf
-> ab Seite 13

2) Bei Aufgabe der Selbständigkeit kann man zurück in die Familienversicherung.
Es gibt aber einige Besonderheiten zu beachten:
- maximal bis zum 23. Geburtstag (Ausnahme: Schüler/Studenten: 25. Geburtstag)
- beide Elternteile sind (weiterhin) in der gesetzlichen Krankenversicherung (ggf. ist § 10 Abs. 3 SGB V zu beachten)
- wenn die Selbständigkeit nebenberuflich ausgeübt wird, ist bei der Einschreibung für ein Studium eine Entscheidung zwischen GKV und PKV zu treffen. Wenn man sich dann für die PKV entscheidet (§ 8 SGB V), hat diese Entscheidung Auswirkungen auf die gesamte Studienzeit. Bei Arbeitslosigkeit und/oder Selbständigkeit nach dem Studium, bleibt man weiterhin in der PKV (ggf. lebenslang).
- es gibt bis dahin keine Rechtsänderung

Es gibt nur einige wenige PKV-Unternehmen, die Minderjährige ohne einen Elternteil versichern. Wenn der Elternteil Vertragspartner des PKV-Unternehmens ist, hat nur dieser Rechte gegenüber der Versicherung: Einreichung der Rechnung, Angabe der Bankverbindung für die Erstattung. Änderung und Kündigung des Vertrages sind nur durch diesem Elternteil möglich ... Datenschutz des dann volljährigen Kindes gegenüber diesem Elternteil (z.B. Diagnosen, Behandlungen ...) besteht dann nicht.

3) Man sollte bei der gesetzlichen Krankenkasse prüfen lassen, ob die Selbständigkeit nebenberuflich ist. Ab Beginn eines Studiums oder eines Fachschulbesuchs gilt dann der Studententarif von ca. 90 Euro monatlich. Für alle anderen Schüler mit Einnahmen unter 1038 Euro monatlich gilt ein Beitrag von ca. 190 Euro monatlich.

4) Bei einem Wechsel in die PKV sind alle bestehenden und in den letzten X vorhandenen Erkrankungen anzugeben (Gesundheitsfragen). Vergessene Erkrankungen/Behandlungen können auch noch Jahre später zu einer Beendigung der Versicherung führen.
https://www.test.de/Versicherungsantrag ... 4648167-0/
Angegebene Erkrankungen bedeuten für die Versicherung:
- Ablehnung des Antrages
- Risikozuschlag auf den PKV-Beitrag (in Höhe der zu erwartenden Kosten + X Euro)
- Auschluss der Behandlungskosten für diese Erkrankung und alle Folgen
Vor einer Entscheidung auch klären, was mit den bisher gezahlten 20% Eigenanteil in der GKV passiert.

In der PKV sind nur Leistungen versichert, die auch im Vertrag stehen. Auf diese Punkte sollte man besonders achten:
- Reha/Kuren
- Psychotherapie (z.B. bei Burnout)
- häusliche Krankenpflege (z.B. nach Unfall) -> hier gibt es auch größere Unterschiede zwischen den gesetzlichen Krankenkassen
- Hilfsmittel (Arten? Erstattungshöhe)
- Heilmittel (z.B. Physiotherapie) -> Erstattungshöhe ("ortsübliche Höhe" ist ein häufige Streitthema)

Noch Fragen offen?

Gruß
RHW

Lama
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Re: Minderjähriger Selbstständiger

Beitrag von Lama » 18.04.2019, 18:23

Hallo,

erstmal vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen. Eine hätte ich tatsächlich noch.

Ich habe mich bei mehreren Agenturen verschiedener Versicherern gemeldet um Angebote zu vergleichen. Eine Agentur welche mir mitteilte, dass bei der Versicherung meine Kieferorthopädische Behandlung leider nicht übernommen werden würde, warnte mich netterweise ebenfalls vor "einigen Kollegen". Er erläuterte mir, dass einige seiner Kollegen lediglich auf die Provision aus wären und mich mit günstigen Angeboten speziell für Jugendliche locken wollen würden, deren Beitragskosten wahrscheinlich spätestens mit 18 oder 21 Jahren erheblich steigen würden. Er empfahl mir bei der GKV zu bleiben.

Inwiefern kann ich mich vor solchen drastischen Beitragserhöhungen schützen? Ist dies überhaupt möglich und wie berechtigt ist die geäußerte Warnung?

Mit freundlichen Grüßen
Lama

RHW
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Re: Minderjähriger Selbstständiger

Beitrag von RHW » 18.04.2019, 19:45

Hallo,

alle PKV-Unternehmen sind verplichtet vom (spätestens) 22. Lebensjahr an Altersrückstellungen zu bilden. Da in diesen jungen Jahren meistens sehr wenig Krankheitskosten anfallen, sind Verdoppelungen der Beitrage ab dem Tag X wegen der Altersrückstellungen nicht selten. Durch die Altersrückstellungen sollen die Beiträge im Alter gesenkt werden. Wenn man vorher die PKV wieder verlässt, verbleiben die Altersrückstellungen bei der Versicherung.

Man kann den Zeitpunkt ab dem beim jeweiligen Tarif Altersrückstellungen zu zahlen sind, ggf. auch mit Tarifrechnern herausfinden: wenn man das Geburtstdatum jeweils ändert, gibt es ab einem Tag/Jahrgang einen sehr deutlichen Beitragssprung nach oben.

Viele PKV-Unternehmen bieten Absicherung nach dem Baukastenprinzip an. Wenn man wirklich(beabsichtigt oder unbeabsichtigt) lebenslang in der PKV ist/sein wird, darf man dabei keinen wichtigen Tarifbaustein vergessen. Was man nicht abgesichert hat, muss man selber zahlen (auch wenn es für den einzelnen wegen der Kostenhöhe unbezahlbar ist), z.B. mehrwöchige/-monatige Reha nach einem Schlaganfall.

Hier sind in den Tätigkeitsberichten Punkte beschrieben, bei denen PKV-Versicherte häufiger Probleme mit PKV-Unternehmen haben:
https://www.pkv-ombudsmann.de/taetigkeitsbericht/

Gruß
RHW

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