Mindestbetrag für Selbständige 2011-2012

GKV - PKV wie kann man sich am besten versichern?

Moderator: Czauderna

Bully
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Beitrag von Bully » 28.12.2015, 09:38

GerneKrankenVersichert hat geschrieben:

Dann eine Frage an Bully und Rossi - Neustarter hat Beiträge über der Mindestbemessung gezahlt. Entweder aufgrund eines vorherigen Einkommenssteuerbescheides oder einer Schätzung des Einkommens. Warum hätte hier ein Krankenkassenmitarbeiter an einen Härtefall denken sollen?

Hallo

Nun ja, " Härtefall "

schau Dir die Beträge an die er o.g. hat, für 2011 / 2012 zusammen
12-15000 Euro, da muss es aber klingeling gemacht haben bei seinem SB

er hat nun mal ein verbrieftes Recht auf Auskunft und Beratung

Gruß Bully

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 28.12.2015, 12:12

Hallo,
Aber das ist doch nicht das Problem - so, wie ich ihn verstehe will er nur nach seinem wirklichen Einkommen Beitrag zahlen, also bei 1000,00€ auch nur danach und nicht nach der Mindestbeitragsbemessungsgrenze, egal ob normal oder Härtefall.
Gruß
Czauderna

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 28.12.2015, 13:29

Ich ging davon aus, dass die Angabe "5000,-- € bis 7000,-- €" Beiträge auf jeweils ein Jahr bezog und das tatsächliche, später festgestellte Einkommen geringer war als das damals angegebene/geschätzte Einkommen.

Aber stimmt, kann man auch anders lesen.

Ohne weitere Angaben von Neustarter ist das Rätsel wohl nicht zu lösen.

vlac
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Beitrag von vlac » 28.12.2015, 17:21

Hallo,

also ich würde einmal davon ausgehen, dass sich die genannten Zahlen jeweils auf ein Jahr bezogen, denn sonst käme man schon auf Grund der Beitragshöhe pro Monat auf ein Einkommen, dass zum Leben keinesfalls ausgereicht haben kann, womit sich dann die Frage gestellt hätte, wovon denn gelebt wurde, was dann ja auch wiederum für die Frage, ob die Härtefall-Regelung in Frage gekommen wäre, von Relevanz ist. Denn ndie 625 Euro im Monat, zusammen mit den rund 290 Euro monatlich für die Krankenversicherung, auf die ich in diesem Szenario komme, sollten Anlass genug gewesen sein, mal ein ernstes Wort mit der Krankenkasse zu sprechen, und auch die Selbständigkeit einer kritischen Prüfung zu unterziehen, denn auch die Härtefall-Regelung hätte nur minimale Entlastung verschafft.

Würden sich die Zahlen auf zwei Jahre beziehen, müsste man dementsprechend davon ausgehen, dass entweder Vermögen oder weiteres Einkommen vorhanden war, oder aber ein ALG II-Anspruch bestanden hätte, und die Frage würde hier und heute nicht diskutiert werden.

Dementsprechend halte ich diese Variante für unwahrscheinlich.

Beziehen sich die genannten Zahlen aber jeweils auf ein Jahr, dann ist zunächst einmal auffällig, dass die genannten Beiträge aus Einkommen über der Mindestbeitragsbemessungsgrenze errechnet wurden, und hier würde sich dann die Frage stellen, wie es dazu gekommen ist. Es ist wohl einigermaßen sicher zu behaupten, dass der Krankenkassenmitarbeiter die Geschäftszahlen eines Selbständigen erst dann kennen lernt, wenn ihm entsprechende Nachweise vorgelegt werden. Und man sollte eigentlich auch davon ausgehen, dass ein Selbständiger protestiert, wenn seine Beiträge auf Grund eines aus der Luft gegriffenen Einkommens berechnet werden.

Ich persönlich habe die Vermutung, dass sich ein Teil der Beiträge auf andere beitragspflichtige Einnahmen bezieht, denn gemessen daran, dass der Steuerbescheid für das erste Jahr frühestens zur Mitte des zweiten Jahres vorgelegen haben dürfte, und dann darüber hinaus auch das genannte Einkommen aus Selbständigkeit überliefert haben dürfte, stellt sich zwangsläufig die Frage, wieso dann die Beiträge trotzdem so massiv in die Höhe gegangen sind - so etwas kommt ja nicht aus heiterem Himmel, und wenn es doch mal passiert, dann würde man damit rechnen, dass der Betroffene laut aufschreit.

Qarsten
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Beitrag von Qarsten » 30.12.2015, 13:34

Hallo zusammen,

anlässlich eines erwogenen Kassenwechsels habe ich mich mit der Problematik der Beitragsbemessung bei Selbständigen gerade auch nochmal auseinandergesetzt. Auch mir ist es 2013 in einer früheren Selbständigkeit passiert, dass ich bei gesunkenen Einkünften aufgrund von extrem langen Bearbeitungszeiten des zuständigen Finanzamtes monatelang zu hohe Beiträge zahlen musste, bis dass diese durch den neuen Steuerbescheid herabgesetzt werden konnten. Mein damaliger Widerspruch blieb ergebnislos.

Ich versuche einmal, für andere Betroffene die Beitragsbemessung für Selbständige aus Versichertensicht zu erläutern. Hierbei ist es zunächst wichtig, zu wissen, dass es 3 verschiedene Mindestbemessungsgrenzen gibt:
1. Die reguläre Mindestbemessungsgrenze für Selbständige: 1/40 der monatl. Bezugsgröße, d.h. 2178,75 € pro Monat.

2. Die "Härtefall-Mindestbemessungsgrenze": Diese gilt nur auf Antrag und setzt voraus, dass entweder Gründungszuschuss bezogen wird, oder dass keine Einkünfte aus Kapitalvermögen vorhanden sind bzw. das Kapitalvermögen max. 4*2905 € beträgt. Dann gilt 1/60 der monatl. Bezugsgröße, d.h. 1452,50 € pro Monat.

3. Die Mindestbemessungsgrenze für sonstige freiwillig Versicherte: Diese kommt dann in Betracht, wenn die selbständige Tätigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt wird. Dies ist selbst dann möglich, wenn keine andere Erwerbstätigkeit vorliegt. Eine nebenberufliche selbständige Tätigkeit kann vorliegen, wenn
- max. 726,25 € Einkommen erzielt werden oder
- max. 1452,50 € Einkommen erzielt werden und 20-30 Std./Woche gearbeitet wird oder
- max. 2178,25 € Einkommen erzielt werden und max. 20 Std./Woche gearbeitet wird
Dann gilt: 1/90 der monatl. Bezugsgröße, d.h. 968,33 €.

Wichtig ist es zu wissen, dass die Beitragsbemessung somit zunächst von der Zuordnung zu einer bestimmten Personengruppe und erst danach vom Einkommen abhängig ist. Bestimmte Personengruppen wie z.B. Fachschüler im zweiten Bildungsweg oder Ehepartner im Rahmen der Familienversicherung (bei Einkommen bis ca. 405 € pro Monat) können ggf. noch günstiger eingestuft werden.

Bei Neugründungen werden die Beiträge zunächst vorläufig anhand der Mindestbemessungsgrenze festgesetzt, wobei man als Betroffener selbst überprüfen sollte, ob man die Kriterien für eine möglichst geringe Mindestbemessungsgrenze erfüllen kann.
Die somit vorläufig festgesetzten Beiträge werden dann mit dem ersten Steuerbescheid rückwirkend und für die Zukunft (bis zum nächsten Steuerbescheid) endgültig festgesetzt.
An dieser Stelle entstehen zwei mögliche Ungerechtigkeiten:
1. (zugunsten des Versicherten): Da im 1. Jahr der Betriebsgründung zumeist weniger verdient wird als im 2. Jahr, profitiert der Versicherte, da er im 2. Jahr dennoch die Beiträge bezahlt, die auf dem Einkommen des 1. Jahres fußen.
2. (zulasten des Versicherten): Problematisch sind immer sinkende Einkommen: In der Anfangszeit, wenn dadurch die zugrunde gelegte Mindestbemessungsgrenze unterschritten wird; in der Folgezeit, weil dann bis zur Absenkung der Beiträge erst auf den neuen Steuerbescheid gewartet werden muss. In der Zwischenzeit kann eine Absenkung meines Wissens nur erfolgen, wenn dies beantragt wird, das Einkommen um min. 25 % gesunken ist und ein entsprechend geänderter Vorauszahlungsbescheid des Finanzamtes mit eingereicht wird (falls die SoFa’s hier im Forum andere Möglichkeiten kennen, höre ich gerne davon!). Diese Beantragung sollte jedenfalls immer möglichst zeitnah erfolgen. Hierbei sollte man immer im Kopf haben, dass sich ggf. die Personengruppe, zu der man gehört, geändert haben könnte.

Warum in Deutschland dieses komplizierte System angewendet wird, ist mir ein Rätsel. Wesentlich einfacher läuft’s in Österreich: Dort werden die Beiträge für Selbständige für ein bestimmtes Kalenderjahr immer zunächst vorläufig festgesetzt, und wenn dann der Steuerbescheid da ist, gibt es eine Nachzahlung oder Rückerstattung.

Zu meiner Situation von 2013: Ich sehe derzeit keine Möglichkeit, die Beiträge, die ich wegen des zu spät erhaltenen Steuerbescheides ungerechterweise zuviel gezahlt habe, zurückzufordern. Falls jemand dennoch Tips hat, bin ich natürlich dankbar. Für die Zukunft habe ich daraus gelernt, immer zeitnah auf geänderte Vorauszahlungsbescheide hinzuwirken und dann eine dementsprechende Einstufung bei der KK zu beantragen, auch wenn das einiges an Bürokratie mit sich bringt.

@ Neustarter: Zunächst ist es sehr löblich, wenn Du versuchst, die Ungerechtigkeiten bei der Beitragsbemessung für Selbständige zu kippen. Ich hoffe, dass Du dabei Erfolg haben wirst und kann Dich nur ermutigen, diese Klage stellvertretend für viele Selbständige auch anzustreben. Ich drücke Dir die Daumen!
Wenn es Dir weniger um die grundsätzliche Veränderung, sondern „nur“ um die zuviel gezahlten Beiträge geht, bietet sich ggf. auch die folgende Vorgehensweise als Workaround an:
Stelle nach § 44 SGB X einen Überprüfungsantrag für Deine damaligen Beitragsbescheide und begründe dies damit, dass die falsche Mindestbemessungsgrenze (s.o.) zugrunde gelegt wurde. Verweise dabei auf die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 10.12.2014 und die „Grundsätzliche Hinweise zum Begriff der hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit“ vom 23.7.2015 des GKV-Spitzenverbandes.

Einen netten Gruss

Qarsten

heinrich
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Beitrag von heinrich » 31.12.2015, 16:30

auf meine Nachfrage wie hoch denn die Einkünfte tatsächlich waren , kam keine Antwort.

So was passiert leider sehr oft. komisch ne.

heinrich
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Beitrag von heinrich » 31.12.2015, 16:46

Quarsten. in allen anderen Ländern dieser Welt ist alles besser als in Deutschland.

Ich weiß nicht wie viel Beitragseinstufungen DU bei Selbstständigen schon vorgenommen und gesehen hast. Wahrscheinlich kennst DU "nur" DICH selbst.

ICH habe ca. 20.000 Fälle in den letzten 20 Jahren berechnet bzw. geprüft.

Die Beitragseinstufung ist ein zukunftbezogene zeitversetzte Verbeitragung.
Nicht rückwirkend wie bei der Einkommensteuer.
Reicht der Versicherten (wenn er den Einkommensteuerbescheid vorliegen hat) diesen Einkommensteuerbescheid ein, gibt es eine für die Zunkunft gerichtete Verbeitragung.
Es gibt keine Nachberechnung.

UND dies ist GUT SO.

Bei einer rückwirkenden Berechnung/Berichtigung:
wäre bei einer Erstattung das Geld der Versicherten ruckzuck verdisponiert (also verbraten/ausgegeben)
wäre bei einer Nachberechung das Geld nicht mehr da und Ruhenstatbeständige würden kommen.

Und nun komm mir nicht damit, dass Versicherte doch so schlau sind, dass sie sich Geld zurück legen.
Nur bei der Existenzgründung gibt es eine rückwirkende Berechnung
UND genau da JAMMERN die Versicherten, wenn sie nachzahlen müssen.
Dies sind aber die WENIGSTEN, weil das erste Jahr der Selbstständigkeit meist (über 90%) schlecht läuft.
Sie jammern und jammern, wenn sie nachzahlen müssen.


UND DU willst wahrscheinlich , wie viele, die keine praktische Erfahrung haben, das österreichische Modell (oder eben wie bei der Einkommensteuer) haben, dass jeweils rückwirkend zu berechnen ist
Dann wäre IMMER bei höheren Einnahmen eine Nachberechnung zu tätigen. Es würden noch mehr Leute JAMMERN und JAMMERN und fänden dann dieses Modell ungerecht.

Noch eines: wennn es eine vorläufige Einstufung gäbe (was es ja zum Glück nicht gibt) müsste im Falle der fehlenden Mitwirkung nicht zum ersten des Folgemonat eine Berechnung in der Höchststufe erfolgen, sondern auch RÜCKWIRKEND. Dies wären immens negative Auswirkungen.

Du weißt ja nicht wie viele Versicherten Ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen.

Aber Du hattest ja auch nur Deinen Fall im Kopf.

Qarsten
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Beitrag von Qarsten » 01.01.2016, 19:26

Hallo Heinrich,

ein frohes neues Jahr erstmal.

Über Deine Erfahrungswerte, wieviele Selbständige bei Nachzahlungen jammern, verfüge ich tatsächlich nicht.

Deine Auffassung, dass Nachzahlungen daher möglichst vermieden werden sollten, kann ich nachvollziehen. Dies ließe sich jedoch durch realistische vorläufige Beitragsfestsetzungen eindämmen, zur Not eben zum Höchstebeitrag.

Aber Deine Meinung, dass es zur Vermeidung des Jammerns bei Nachzahlungen dann besser ist, sofort endgültige Beiträge festzusetzen, von denen sich der Selbständige bei gesunkenem Einkommen - wenn überhaupt! - nur mit erheblichen bürokratischen Aufwand und nach intnsivem Studium der sozialrechtlichen Bestimmungen befreien kann, teile ich NICHT.
Meiner Meinung nach ist das eine vom GKV-Spitzenverband legitimierte Abzockerei.

Trotz Deines angeblich immensen Erfahrungsschatzes zeigst Du auch keinen Weg auf, wie sich der Selbständige bei gesunkenem Einkommen zeitnah aus dieser Ungerechtigkeit befreien kann. Gehe ich recht in der Annahme, dass Du es tatsächlich gutheißt, dass Selbständige in dieser Situation monatelang zu hohe Beiträge zahlen?

Einen netten Gruß

Qarsten

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 01.01.2016, 20:51

Hallo,
wenn man sich den Verlauf einer Einkommensabhängigen Einstufung
über mehrere Jahre anschaut, dann zahlt im Endeffekt der Selbständige grundsätzlich einen gerechten Beitrag. Dumm gelaufen ist es nur dann, wenn die Selbständigkeit beendet wird und im Jahr davor niedriger Einnahmen erzielt wurden.
Was ich persönlich für verbesserungswürdig halte, das ist eine Anpassung der Mindestbeitragsbemessungsgrenze - die sollte meiner Meinung nach genau so hoch sein, wie die für sonstig, freiwillig Versicherte und dann dürfte es auch demzufolge keine Härtefallregelung mehr geben - wie gesagt, meine Meinung.
Gruss
Czauderna

Qarsten
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Beitrag von Qarsten » 02.01.2016, 16:57

Hallo Czauderna,

na, da hast Du die von mir geschilderte Problematik und die Beitragsfestsetzung für Selbständige leider - wie viele Kassenmitarbeiter - falsch verstanden:

Wenn die Selbständigkeit beendet wird, tritt die von mir geschilderte Problematik nämlich gerade nicht auf: DANN muss der ehemals Selbständige nämlich "nur" beim Finanzamt die Einstellung seiner selbst. Tätigkeit bekannt geben und einen Vorauszahlungsbescheid über 0 € erwirken. Anschließend muss er seiner Kasse mitteilen, dass er jetzt nicht mehr zu der Personengruppe der Selbständigen gehört und sein Beitrag müßte bei korrekter Verfahrensweise anhand der Mindestbemessungsgrenze für sonstige freiwillig Versicherte berechnet werden (sofern keine anderen Tatbestände vorliegen).

Aus Erfahrung und Telefonaten kann ich berichten, dass selbst viele Kassenmitarbeiter hier nicht durchblicken. Das bestätigt meine Ansicht, dass dieses System übermäßig kompliziert ist und oft zu ungerechten Fehleinstufungen führt.

Die von mir bemängelte Ungerechtigkeit tritt vielmehr - wie beim Threadersteller - in der Anfangszeit auf, wenn die Beiträge aufgrund der hohen Mindestbemessungsgrenze für Selbständige berechnet wurden, oder eben - wie bei mir - im Laufe der Selbständigkeit.

Das Problem im jahrlangen Verlauf ist, dass die Beiträge nicht immer zu einem bestimmten Datum (z.B. 1.1. oder 1.8.) neu festgesetzt werden, sondern immer dann, wenn ein neuer Steuerbescheid vorliegt. Heinrich sprach die oft zu wünschen lassende Mitwirkung der Versicherten an: Ich in meinem Falle KONNTE 2013 monatelang nicht mitwirken, da ich keinen neuen Steuerbescheid vorlegen konnte. Auf meine diesbezüglichen Schreiben an das Finanzamt erhielt ich nur ein Urteil der Finanzverwaltung, dass sich die Finanzämter mehr oder weniger beliebig viel Zeit lassen können, bis dass Sie einen Steuerbescheid erlassen. DAS ist das Problem: Der Selbständige ist hier auf Gedeih und Verderb auf das Finanzamt angewiesen.

Mein Prozedere in Zukunft wird das folgende sein:
Wenn meine Einkünfte gestiegen sind, werde ich das Einreichen der Stuererklärung bis zum geht-nicht-mehr durch Fristverlängerungen beim Finanzamt hinauszögern, um so die Chancen auf eine möglichst späte Bescheidung zu erhöhen. Erfahrungsgemäß sind Verlängerungen bis zum 31.12. oft möglich.
Wenn meine Einkünfte gesunken sind, werde ich die Steuererklärung sobald wie möglich einreichen (möglichst zum 31.3., früher geht es nicht, da man vorher in der Regel nicht alle Bescheinigungen von Banken, Versicherungen usw. zusammen hat). In der Hoffnung, dass das Finanzamt dies dann möglichst bald bescheidet.

Mit diesem Vorgehen werde ich mir in den nächsten Jahren das Geld, was ich 2013 zuviel gezahlt habe, zurückholen - wahrscheinlich sogar noch mehr.
GERECHT finde ich das ganze aber keineswegs!

Kurzum: Das jetzige Beitragsbemessung für Selbständige in der GKV ist viel zu kompliziert und zudem ungerecht.

Einen netten Gruß

Qarsten

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 02.01.2016, 19:13

[quote="Qarsten"]Hallo Czauderna,

na, da hast Du die von mir geschilderte Problematik und die Beitragsfestsetzung für Selbständige leider - wie viele Kassenmitarbeiter - falsch verstanden:

Wenn die Selbständigkeit beendet wird, tritt die von mir geschilderte Problematik nämlich gerade nicht auf: DANN muss der ehemals Selbständige nämlich "nur" beim Finanzamt die Einstellung seiner selbst. Tätigkeit bekannt geben und einen Vorauszahlungsbescheid über 0 € erwirken. Anschließend muss er seiner Kasse mitteilen, dass er jetzt nicht mehr zu der Personengruppe der Selbständigen gehört und sein Beitrag müßte bei korrekter Verfahrensweise anhand der Mindestbemessungsgrenze für sonstige freiwillig Versicherte berechnet werden (sofern keine anderen Tatbestände vorliegen).

Aus Erfahrung und Telefonaten kann ich berichten, dass selbst viele Kassenmitarbeiter hier nicht durchblicken. Das bestätigt meine Ansicht, dass dieses System übermäßig kompliziert ist und oft zu ungerechten Fehleinstufungen führt.

Hallo,
nein, glaube ich nicht, dass ich das falsch verstanden habe.
Wenn man seiner Krankenkasse mitteilt, dass man sein Gewerbe aufgegeben hat, dann erfolgt die Umstellung der Einstufung ab sofort für die Zukunft - Beispiel : Lfd. Einstufung gemäß Einkommensteuerbescheid
2014 - was einem Einkommen von 3500,00 € entspricht - der Kasse wird mitgeteilt, dass die selbständige Tätigkeit zum 31.12.2015 aufgegeben wurde und das ab dem 01.01.2016 nur noch Kapitalerträge in Höhe von 1000,00 € vorliegen. Die Kasse nimmt demzufolge eine Umstufung vor und setzt die 1000,00 € als Bemessungsgrundlage ein.
Der Einkommensteuerbescheid für 2015 ergibt Einkommen von 2500,00 €. Eine Umstellung für die Zukunft ist nicht mehr möglich, da ja die selbständige Tätigkeit aufgegeben wurde, d.h. in diesem Beispiel wurden tatsächlich für die Zeit ab der Vorlage des Einkommensteuerbescheides 2014 bis zur (fiktiven) Vorlage des Bescheides für 2015 für 1000,00 € mtl. zu viel Beitrag gezahlt - Pech gehabt !!.
Hätte der Einkommensteuerbescheid für 2015 aber 4500,00 € ausgewiesen, wäre es genau umgekehrt gewesen.
Wenn nun die Selbständige Tätigkeit nicht zum 31.12.2015 aufgegeben wurde - dann würde in unserem Beispiel (1. Variante) ab der Vorlage
des Einkommensteuerbescheides für die Zukunft 2500,00 € angesetzt, also keine Rückzahlung und bei Variante 2. würden zukünftig 4237,00 €
(Beitragsbemessungsgrenze 2016) angesetzt werden, also keine Nachforderung.
Wo ist die Problematik bei fortdauernder Selbständigkeit ?.
Gruss
Czauderna

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 03.01.2016, 15:32

Qarsten hat geschrieben: Mein Prozedere in Zukunft wird das folgende sein:
Wenn meine Einkünfte gestiegen sind, werde ich das Einreichen der Stuererklärung bis zum geht-nicht-mehr durch Fristverlängerungen beim Finanzamt hinauszögern, um so die Chancen auf eine möglichst späte Bescheidung zu erhöhen. Erfahrungsgemäß sind Verlängerungen bis zum 31.12. oft möglich.
Wenn meine Einkünfte gesunken sind, werde ich die Steuererklärung sobald wie möglich einreichen (möglichst zum 31.3., früher geht es nicht, da man vorher in der Regel nicht alle Bescheinigungen von Banken, Versicherungen usw. zusammen hat). In der Hoffnung, dass das Finanzamt dies dann möglichst bald bescheidet.
Ein guter Steuerberater geht genauso vor.
Qarsten hat geschrieben: Mit diesem Vorgehen werde ich mir in den nächsten Jahren das Geld, was ich 2013 zuviel gezahlt habe, zurückholen - wahrscheinlich sogar noch mehr.
GERECHT finde ich das ganze aber keineswegs!
Jeder findet eben etwas anderes gerecht. Angestellte haben diese "Optimierungsmöglichkeiten" nicht, können weniger von der Steuer absetzen und zahlen Beiträge aus jedem geldwerten Vorteil, der ihnen irgendwie zugute kommt, während Selbständige schon von vorneherein ganz andere Möglichkeiten haben. Ist das GERECHT?
Qarsten hat geschrieben: Kurzum: Das jetzige Beitragsbemessung für Selbständige in der GKV ist viel zu kompliziert und zudem ungerecht.
Die jetztige Beitragsbemessung resultiert genau aus dem Wunsch, die Beitragsbemessung gerechter zu machen - was natürlich dazu führt, dass sie immer komplizierter wird. Gesetzlich vorgesehen ist, dass Selbstständige den Höchstbeitrag zahlen. Auf Antrag und bei Nachweis niedrigerer Einnahmen kann dieser Beitrag ermäßigt werden. Würde bei konsequenter Anwendung bedeuten, dass jeder Selbstständige erstmal den Höchstsatz zahlen muss und dann, wenn der Steuerbescheid über niedriger Einnahmen ergangen ist, die Differenz zurück erhält. Diese Vorgehensweise passt allerdings nicht zur Haushaltsplanung der Kassen (z. B. in Bezug auf Krankengeld, in welcher Höhe erhält der Selbständige Krankengeld, wenn es noch keine gültige Bemessungsgrundlage gibt, da es keinen Steuerbescheid gibt. Soll der Selbständige dann auf sein Krankengeld warten, bis der Steuerbescheid erstellt wurde?) und auch der Planungssicherheit in Sachen Gesundheitsfonds und durchschnittlicher Beitragssatz, da ja immer unsicher wäre, wieviele der eingenommenen Gelder wieder zurückgezahlt werden müssten. Ganz davon abgesehen, dass viele Selbständige den Höchstsatz überhaupt nicht zahlen könnten.

Qarsten
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Beitrag von Qarsten » 03.01.2016, 21:46

Hallo zusammen,

@Czauderna: In Deinem Szenario sehe ich nicht das Problem:
2015 zahlte der Selbständige die Beiträge gemäß Steuerbescheid für 2014, wenn alles korrekt lief, zahlte er 2014 die Beiträge gem. Steuerbescheid 2013.
Jetzt zahlt er ab 1.1.16 nur noch Beiträge auf 1000 € Kapitalerträge, statt auf 2500 € oder auf 4500 € in Deinen beiden Szenarien. Er profitiert also so oder so, da die zeitverzögerte zukunftsbezogene Beitragsbemessung für das letzte Jahr der Selbständigkeit nicht mehr zum Tragen kommt.

zu der Problematik bei fortlaufender Selbständigkeit:
@GerneKrankenVersichert:
Das Problem sind die von Dir sog. "Optimierungsmöglichkeiten" - diese setzen nämlich voraus, dass:
- der Selbständige diese kennt und versteht
- sie zu seinen Gunsten ausnutzt
- und dem Finanzamt entweder Druck für eine zügige Bearbeitung macht oder monatelang immer wieder Fristverlängerungen durchboxt.
- das Finanzamt mitspielt

Anders gesagt: Der, der es versteht und bei Finanzamt hartnäckig ist, zahlt weniger als angemessen - ist aber selbst dabei noch von den Bearbeitungszeiten beim Finanzamt abhängig.
Und der, der es nicht versteht und beim Finanzamt weniger hartnäckig ist und/oder ein träge arbeitendes Finanzamt hat, zahlt drauf.

Das ist die Ungerechtigkeit. Ich würde daher nicht von "Optimierungsmöglichkeiten", sondern von systembedingten "Optimierungszwängen" sprechen.

Und diese sind der zeitverzögerten, zukunftsbezogenen Beitragsbemessung geschuldet, weshalb ich eine rückwirkende Berechnung wie z.B. in Österreich nach wie vor einfacher und gerechter fände.

Die genannten Probleme, die eine rückwirkende Berechnung mit sich bringen würde, ließen sich m.E. durch eine realitätsnahe Einschätzung anhand der bisherigen Kriterien (Mindestbemessungsgrenzen, Steuerbescheide des Vorjahres) ebenso wie die Höhe der Ausgleichzahlungen weitgehend minimieren.

Einen netten Gruss

Qarsten

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Beitrag von Qarsten » 29.09.2017, 22:52

Gottseidank hatte der Gesetzgeber inzwischen ein Einsehen - jetzt wird es künftig so gemacht, wie von mir angedacht:

https://www.wertpapier-forum.de/topic/5 ... e-ab-2018/

Einen netten Gruß

Qarsten

Qarsten
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Re: Mindestbetrag für Selbständige 2011-2012

Beitrag von Qarsten » 04.05.2019, 13:10

Halleluja! Jetzt hatte der Gesetzgeber endlich noch ein einsehen und hat die von mir oben geschilderten Ungerechtigkeiten (fast) komplett abgeschafft, indem er die Mindestbemessungsgrenze für alle Selbständigen quasi halbiert hat:

https://www.haufe.de/sozialwesen/versic ... 72734.html

Ein richtige Schritt in die richtige Richtung zu einer fairen Belastung für kleine Selbständige.

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