umstrittenes Krankengeld - Diskurs zur BSG-Rechtsprechung

Welche Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt?

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Anton Butz
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umstrittenes Krankengeld - Diskurs zur BSG-Rechtsprechung

Beitrag von Anton Butz » 29.04.2015, 23:13

Anknüpfend an

http://www.krankenkassenforum.de/diskus ... ght=#76103

könnte die dort etwas abrupt beendete Diskussion hier fortgesetzt werden.

Das Krankengeld dürfte die am meisten und wohl heftigsten umstrittene
Leistung der gesetzlichen Krankenkassen sein. Auch im Hinblick auf geplante
Rechtsänderungen sollte die bisherige BSG-Krankengeld-Entscheidungspraxis
diskutiert werden.

meine These:

Die sog. BSG-Krankengeld-Rechtsprechung ist gar keine „Recht“sprechung,
sondern „Unrecht“-Sprechung durch fiktive Konstruktionen fernab gesetz-
licher Vorgaben, zum Nachteil der Versicherten.

Konkreter: auf den Krankengeld-Anspruch für die Dauer der jeweiligen
Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung ausgerichteter Selbstvollzug von BSG-
Vorstellungen
– völlig jenseits des SGB X und des § 46 SGB V.

Schönen Gruß!
Anton Butz

GerneKrankenVersichert
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Re: umstrittenes Krankengeld - Diskurs zur BSG-Rechtsprechun

Beitrag von GerneKrankenVersichert » 30.04.2015, 08:02

Anton Butz hat geschrieben:
meine These:

Die sog. BSG-Krankengeld-Rechtsprechung ist gar keine „Recht“sprechung,
sondern „Unrecht“-Sprechung durch fiktive Konstruktionen fernab gesetz-
licher Vorgaben, zum Nachteil der Versicherten.

Konkreter: auf den Krankengeld-Anspruch für die Dauer der jeweiligen
Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung ausgerichteter Selbstvollzug von BSG-
Vorstellungen
– völlig jenseits des SGB X und des § 46 SGB V.

Schönen Gruß!
Anton Butz
Und wie beweist/belegst du diese These?

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 30.04.2015, 15:09

Ob die Belege anerkannt und die Beweise akzeptiert werden, ist eine andere Frage.
Aber sicher gibt es gute Argumente dafür, weshalb (nicht nur) mir die BSG-„Recht“-
sprechung als (Gut- bzw. besser als) „Schlechtdünken-Subsumtion“ zum Nachteil
der Versicherten erscheint.

Das wird viel Text. Schrittchenweise zunächst allgemein:

Wer die Krankengeld-„Recht“sprechung hinterfragt, bemerkt zwangsläufig, dass
sich diese regelmäßig nicht auf Gesetze stützt. Obwohl Rechtsprechung an Gesetz
und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), beruft sich das BSG meist auf sich
selbst.

Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn die Verweise in sich stimmig wären und
sich entsprechend den Vorgaben des SGB I auf rechtliche Beurteilungen zu geltenden
gesetzlichen Regelungen beziehen würden.

Dem ist aber nicht so. Gerade zum Krankengeld werden grundlegende Vorgaben
des Gesetzgebers konsequent übergangen:


§ 1 Abs. 1 SGB I

betrifft das Recht auf Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit
sowie die Sicherung eines menschenwürdigen Daseins. Das Sozialgesetzbuch soll da-
zu beitragen, besondere Belastungen des Lebens abzuwenden oder auszugleichen.


§ 2 Abs. 2 SGB I
Die nachfolgenden sozialen Rechte sind bei der Auslegung der Vor-
schriften dieses Gesetzbuchs und bei der Ausübung von Ermessen zu
beachten; dabei ist sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst
weitgehend verwirklicht werden.

Nach § 4 SGB I

hat Jeder im Rahmen des Sozialgesetzbuchs ein Recht auf Zugang zur Sozialver-
sicherung. Wer in der Sozialversicherung versichert ist, hat im Rahmen der
gesetzlichen Krankenversicherung ein Recht auf wirtschaftliche Sicherung bei
Krankheit.


§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I
Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder
Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise,
umfassend und zügig erhält.

§ 31 SGB I
Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs
dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden,
soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt.

Die über Jahre fortentwickelte fiktive Konstruktion der BSG-Krankengeld-„Recht“-
sprechung hält sich nicht in diesem Rahmen, sondern setzt Maßstäbe nach ab-
weichenden subjektiven Vorstellungen.

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 01.05.2015, 08:39

Anton Butz hat geschrieben:
Die über Jahre fortentwickelte fiktive Konstruktion der BSG-Krankengeld-„Recht“-
sprechung hält sich nicht in diesem Rahmen, sondern setzt Maßstäbe nach ab-
weichenden subjektiven Vorstellungen.
Wie, jetzt wo es spannend wird, fehlt dann doch die Begründung?

Wo setzt das BSG Maßstäbe nach abweichenden subjektiven Vorstellungen?

Anton Butz
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erst noch etwas mehr Spannung

Beitrag von Anton Butz » 01.05.2015, 10:06

Vorweg:

Das Bundes“sozial“gericht setzt sich zum Krankengeld beliebig über maßgebliche
Gesetze hinweg, schränkt die Rechte der Versicherten durch unverhältnismäßige Er-
weiterung ihrer Pflichten („Obliegenheiten“) ein und nimmt die Folgen damit einher-
gehender Risiken – willkürliche Nachteile für die Versicherten – bewusst in Kauf.

Dies bewirkt, dass sich auch die Krankenkassen berechtigt fühlen, dem hehren Beispiel
zu folgen und zustehendes Krankengeld zu verweigern.

Von wegen weitgehende Verwirklichung des soziale Grundrechts auf Zugang zur Sozial-
versicherung und wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit. Statt besondere Belastungen
des Lebens abzuwenden oder auszugleichen werden sie durch den „Staat“ vergrößert.

Schlimmer können die Rechte auf Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer
Sicherheit sowie die Sicherung eines menschenwürdigen Daseins wohl kaum mit
Füßen getreten werden.

broemmel
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Re: erst noch etwas mehr Spannung

Beitrag von broemmel » 01.05.2015, 10:13

Anton Butz hat geschrieben:Vorweg:

Das Bundes“sozial“gericht setzt sich zum Krankengeld beliebig über maßgebliche
Gesetze hinweg, schränkt die Rechte der Versicherten durch unverhältnismäßige Er-
weiterung ihrer Pflichten („Obliegenheiten“) ein und nimmt die Folgen damit einher-
gehender Risiken – willkürliche Nachteile für die Versicherten – bewusst in Kauf.
.
Womit beweist Du diese Aussage?

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 01.05.2015, 13:06

Die aktuelle BSG-Krankengeld-Rechtsprechung ist auf die gewillkürte Prämisse reduziert:

Krankengeld steht für die jeweilige Dauer einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
(AUB) zu, wenn die BSG-Voraussetzungen erfüllt sind, z. B. ein den Krankengeld-
Anspruch umfassendes Versicherungsverhältnis am Tag nach dem Ausstellungs-
datum der Folge-AUB.


Unter diese Prämisse wird das gesamte Recht der Sozialgesetzbücher I, V und X untergeordnet,
materiell- und verfahrensrechtlich.

Unter dem Strich steht die „BSG-Automatik“. Ausführungen wie zur „abschnittsweisen Kranken-
geldbewilligung für Bewilligungsabschnitte“ sind Phrasen, die den „BSG-Selbstvollzug“ ledig-
lich kaschieren.

broemmel
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Beitrag von broemmel » 01.05.2015, 15:00

Wo ist der Beweis?
Ansprüche richten sich immer nach dem Versicherungsverhältnis.

Also wo ist der Beweis?
Es sollen doch Fakten diskutiert werden und keine Meinungen oder Annahmen.

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 01.05.2015, 19:02

Mal wieder jede Menge Behauptungen ohne Beleg und Begründung. Unter einem Diskurs stelle ich mir etwas anderes vor.

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 01.05.2015, 19:33

Ein Diskurs http://www.duden.de/rechtschreibung/Diskurs ist dies bisher auch nach meinen Vorstellungen noch nicht. O. K. jetzt ist eine Begründung, ein Beleg oder ein Beweis fällig.

Wozu soll´s denn sein? Dass

a. der Gesetzgeber von einem Anspruch auf Krankengeld für die gesamte Dauer der Arbeitsunfähigkeit ausgeht, das BSG aber das Entstehen von Krankengeld-Ansprüchen auch nach jeder Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung verlangt?

b. zwischen Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zu unterscheiden ist, das BSG sich an diese Vorgabe aber nicht gebunden sieht, im Gegenteil?

c. sich Krankengeld-Ansprüche lt. BSG nach Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen richten, statt lt. Gesetz nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit?

d. der Gesetzgeber nur einen Karenztag (Wartetag auf das Krankengeld) eingeführt hat, das BSG aber zusätzlich auch nach jeder Folge-AUB von einem Karenztag ausgeht?

e. …
Zuletzt geändert von Anton Butz am 01.05.2015, 19:35, insgesamt 1-mal geändert.

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 01.05.2015, 19:34

Anton Butz hat geschrieben:Krankengeld steht für die jeweilige Dauer einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) zu, wenn die BSG-Voraussetzungen erfüllt sind, z. B. ein den Krankengeldanspruch umfassendes Versicherungsverhältnis am Tag nach dem Ausstellungsdatum der Folge-AUB
das sind keine BSG-Voraussetzungen, sondern SGB-Voraussetzungen...

aus dem § 44 SGB V: Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld... (danach folgt eine Aufstellung, welche Versicherte Anspruch auf Krankengeld haben bzw. welche keinen Anspruch haben)

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 01.05.2015, 19:40

Lady Butterfly hat geschrieben: das sind keine BSG-Voraussetzungen, sondern SGB-Voraussetzungen...
Das wäre mir neu, ist also zumindest erklärungsbedürftig.

GerneKrankenVersichert
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Beitrag von GerneKrankenVersichert » 01.05.2015, 19:44

Anton Butz hat geschrieben:Ein Diskurs http://www.duden.de/rechtschreibung/Diskurs ist dies bisher auch nach meinen Vorstellungen noch nicht. O. K. jetzt ist eine Begründung, ein Beleg oder ein Beweis fällig.

Wozu soll´s denn sein?
Dass

a. der Gesetzgeber von einem Anspruch auf Krankengeld für die gesamte Dauer der Arbeitsunfähigkeit ausgeht, das BSG aber das Entstehen von Krankengeld-Ansprüchen auch nach jeder Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung verlangt?

b. zwischen Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zu unterscheiden ist, das BSG sich an diese Vorgabe aber nicht gebunden sieht, im Gegenteil?

c. sich Krankengeld-Ansprüche lt. BSG nach Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen richten, statt lt. Gesetz nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit?

d. der Gesetzgeber nur einen Karenztag (Wartetag auf das Krankengeld) eingeführt hat, das BSG aber zusätzlich auch nach jeder Folge-AUB von einem Karenztag ausgeht?

e. …
Zu allen Behauptungen bitte. Danke.

Lady Butterfly
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Beitrag von Lady Butterfly » 01.05.2015, 19:49

Anton Butz hat geschrieben:
Lady Butterfly hat geschrieben: das sind keine BSG-Voraussetzungen, sondern SGB-Voraussetzungen...
Das wäre mir neu, ist also zumindest erklärungsbedürftig.
nun ja, ist eigentlich ganz einfach:
§ 44 SGB V hat geschrieben:
§ 44 Krankengeld

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.
(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben
1. die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, soweit sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind,
2. hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
3. Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben,
4. Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
Für die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 gilt § 53 Absatz 8 Satz 1 entsprechend. Für die nach Nummer 2 und 3 aufgeführten Versicherten bleibt § 53 Abs. 6 unberührt.
(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.
der § 44 SGB V beginnt mit den Worten "Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld...." das bedeutet, dass eine grundlegende Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld eine bestehende Versicherung ist

anders ausgedrückt: keine bestehende Versicherung = kein Krankengeld

laut dem Sozialgesetzbuch

Anton Butz
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Beitrag von Anton Butz » 01.05.2015, 20:00

Versicherungsverhältnis - kein Problem.

Von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) und vom Tag nach dem
Ausstellungsdatum der Folge-AUB
steht da allerdings nichts.

GKV,

zu a. bis d.? Ist denn davon nichts unstreitig?

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