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Arme Selbstständige, nicht versichert - jetzt ALG II

Verfasst: 06.01.2009, 18:22
von Lula
Hallo,

habe zwar hier schon einiges gelesen, was auf mich zutrifft, aber es bleiben weiterhin einige Fragen offen.

Tatbestand:
Bin seit 12 Jahren selbständig (freiberuflich tätig) und seit 2004 "zwangsexmatrikuliert" (KSK bzw. KK), da ich es mir die KV nicht mehr leisten konnte, sprich rausgeflogen bin.
Seitdem war ich nicht krankenversichert, auch nicht privat.
Nachdem ich die beiden letzten Jahre gerade so existieren konnte (Gewinn 2007: 11.200,-, Gewinn 2008: ca. 9.000,-), habe ich jetzt Hartz IV beantragt und bewilligt bekommen. Die KK hat mich deswegen zwangsläufig wieder genommen und verlangt natürlich jetzt die Beiträge seit 1.4.2007 von mir. Dazu wurden mir Unterlagen zur Ermittlung der Beitragseinstufung seit 1.4.2007 geschickt (was ein Zeitraum von 19 Monaten ist, das Formular ist aber auf 12 Monate ausgelegt. Aber das nur nebenbei...)
Habe mit der dortigen Stelle telefoniert, welche mir riet, dazu zu schreiben, dass ich geringfügig selbständig war und deswegen eine Beitragsentlastung wünsche. Den entsprechenden Antrag habe ich mir bei der KK abgeholt.

Was mir noch unklar ist:
1. Bin ich denn auch geringfügig selbstständig, wenn ich davon existieren musste? Das mit den 18 Std. würde ich ja hinbekommen, aber was soll ich denen erzählen, wovon ich gelebt habe?? Habe gelesen, dass man von diesem Einkommen nicht existenzabhängig sein darf, was ich natürlich war. Oder hab ich da was falsch verstanden?

2. Selbst wenn der Betrag auf ca. mtl. 138,- festgelegt wird, könnte ich ihn rückwirkend nicht zahlen, da ich ja jetzt bei der ARGE bin. Wären immerhin 2,600,-
Was passiert in einem solchen Fall? Kann dieser Betrag überhaupt rückwirkend festgelegt werden? Hab gelesen, rückwirkend geht gar nix, bzw. nur auf Antrag (§44 SGB 10) Steig da gerade nicht ganz durch.
Selbst wenn eine Ratenzahlung gewährt wird, hätte ich keine Möglichkeit, diese zu begleichen, zumal ja wohl auch 5% Säumniszuschläge hinzu kämen (wenn ich das richtig verstanden habe). Eine Stundung würde bedeuten, dass ich, sowie es mir finanziell wieder etwas besser geht, die Zahlungen leisten müsste, womit ich vermutlich wieder in eine finanzielle Notlage käme und erneut Harz IV beantragen müsste, da nicht abzusehen ist, dass ich plötzlich eine Festanstellung mit 4.000 brutto o.ä. bekomme.
Sollte ich jetzt allerdings bspw. 800,- in einem Monat dazu verdienen: Könnte ich dann 700,- an die KK überweisen OHNE Kürzungen des ALG II zu befürchten, damit ich von den Schulden irgendwann runterkomme?? Wohl eher nicht...

3. Kann ich, so lange es noch keine Beitragsfestsetzung gibt, mit meiner Karte zum Arzt? Und was passiert, wenn ein Beitrag festgesetzt wird, den ich nicht begleichen kann? Wird mir dann die Karte dann wieder entzogen bzw. werde ich zum "Notfallpatient" und darf nur zum Arzt, wenn ich akute Schmerzen habe?
Würde gerne nach 5 Jahren mal wieder einen "Rundum-Check" machen lassen, da ich seit 2003 nicht mehr beim Arzt war.

4. Was muss ich der KK zusenden? Meine Einkommensteuererklärung ist gerade erst zum FA gegangen, d.h. ich habe von denen noch keinen Bescheid. Und von 2008 hab ich auch nur eine sog. formlose Gewinnermittlung. Reicht das?

5. Ist es jetzt sehr unwahrscheinlich, dass ich als "geringfügig Selbstständiger" anerkannt werde, bzw. welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit man zum "Härtefall" erklärt wird und die KK einem evt. sogar Beiträge erlässt??

6. Was sollte ich auf keinen Fall unterschreiben bzw. muss ich alles unterschreiben, was mir hingelegt wird?

Anzumerken ist, dass, bevor ich 2003 in Beitragsrückstand kam und rausgeflogen bin (Ausgleich erfolgte allerdings), ganz normal zur Beitragsklasse gewöhnlich Selbstständiger gehörte, also bis ca.1.850,- o.ä.. Als ich bei der KK zwecks Schrieb für die ARGE vorstellig war, gingen die von ca. 300,- mtl., also fast 6.000,- aus, die ich ihnen schulde. Kann mir das wirklich blühen?? Dann werde ich ja meines Lebens nicht mehr froh...

Ich hoffe, die Fragen sind jetzt nicht zu dämlich, aber ich bin nach dem Nachlesen hier fast noch mehr verwirrt, als dass es der Aufklärung diente, da mein Fall genau so noch nicht besprochen wurde. Oder falls doch: Wo?

Danke für die hoffentlich prompte Hilfe!

Verfasst: 07.01.2009, 10:26
von Bodi
Zu 1+2: Eine geringfügig selbständige Tätigkeit kommt nicht in Betracht, außer mit Augenzudrücken seitens der Krankenkasse (Verdienstgrenze ca. 350 EUR mtl).

Der Mindestsatz für hauptberuflich Selbständige beträgt ca. 280 EUR mtl.
Daneben gibt es seit April 2007 noch einen ermäßigten Satz für geringverdienende Selbständige (Verdienst bis ca. 1250 EUR mtl.). Der Beitrag beläuft sich auf ca. 180 EUR mtl. Der Haken: Dieser ermäßigte Tarif ist an weitere Voraussetzungen gebunden, muss beantragt werden und gilt gewöhnlich nur ab dem jeweils darauffolgenden Monat, also nicht rückwirkend.
Beiträge können bis zu vier Jahre rückwirkend erhoben werden. Die drohenden Säumniszuschläge sind heftig (5% pro Monat bzw. 60% pro Jahr!)

zu 3: Bei hohem Beitragsrückstand verlangt die Kasse die Karte gewöhnlich zurück und leistet nur noch für Notfälle. Bei ALG2-Bezug gilt das jedoch nicht, einem Arztbesuch steht also nichts im Wege.

zu 4: Eine formlose Gewinnermittlung reicht zunächst aus. Wenn der Steuerbescheid da ist, fordert die Krankenkasse ggf. nach.

zu 5: Härtefälle, denen Beitragsschulden aus der Nachzahlungspflicht generell erlassen werden, sind z.B. Obdachlose. Bei Hartz 4-Empfängern liegt das weitere Vorgehen im Ermessen der Krankenkasse bzw. es ist auch etwas Verhandlungssache.
Hier im Forum wurden auch schon mehrfach Wege diskutiert, die Nachzahlung ganz zu vermeiden. Da bei der Krankenkasse aber schon schlafende Hunde geweckt wurden, kommt das in diesem Fall wohl nicht mehr in Betracht.

Verfasst: 07.01.2009, 18:03
von Lula
Danke, Bodi!
Beitragsnachzahlung ganz vermeiden? Wie hätte ich das denn machen können? Länger im Voraus planen, d.h. 3 Monate PKV, dann Hartz beantragen, dann dadurch wieder in die GKV, in der Hoffnung, dass sie nicht weiter forschen? Behaupten, ich war im Ausland/Koma oder hab von Luft und Liebe gelebt?? Kann doch nicht lügen *seufz*

Ich fürchte, ich geh mit meinem ganzen Krempel mal dort hin und versuche sie, zu becircen. Fraglich ist natürlich trotzdem noch, inwieweit evt. Dazuverdienen zur Schuldentilgung genutzt werden kann, OHNE dass die ARGE mir Bezüge kürzt. Muss übermorgen eh hin, dann frag ich mal nach.

Aber so wie du es beschreibst, werde ich wohl oder übel auf keinen grünen Zweig mehr kommen. Privatinsolvenz?? Naja...

Verfasst: 14.01.2009, 23:35
von Koulchen
Hallo Lula,

ein Tipp für die Zeit danach, nämlich wenn diese ganze Beitragsnachzahlungsgeschichte irgendwie geregelt ist: Beantragen Sie dann doch am besten den Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag für geringverdienende Selbstständige.

Weitere Informationen dazu gibt es unter akademie.de/existenzgruendung/arbeitslosigkeit/tipps/aktuelles/krankenversicherungs-zuschuss-fuer-selbststaendige.html, allerdings nur für Mitglieder oder nach kostenloser Anmeldung für einen 14 Tage lang gültigen Probe-Account. Ich zitiere hier nur mal kurz die Einleitung des Artikels von E. Denzler, damit Sie beurteilen können, ob Sie dort weiter nachlesen sollten:

"(11.07.2006) Wer hauptberuflich selbständig ist, zahlt als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse einen erhöhten Mindestbeitrag von rund 300 Euro, viele Kleinunternehmer geraten allein deshalb schon unter das Niveau der Sozialhilfe. Das hat nun endlich auch der Gesetzgeber erkannt. Der Mindestbeitrag wird zwar nicht abgeschafft, aber wer nur durch die hohen Krankenkassen-Beiträge ein so geringes Einkommen erzielt, dass er Anspruch auf AlG II hätte, kann statt dessen ab August 2006 einen Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit zur Krankenversicherung erhalten."

Dann noch eine Frage: Als KSK-Versicherter hat man es durch die Einkommensschätzungen doch einigermaßen in der Hand, wieviel man an die Kranken- und Rentenversicherung zahlen muß (solange die Schätzung einigermaßen hinhaut) - ist es da nicht möglich, daß Sie sich doch wieder über die KSK versichern? Vielleicht in Kombination mit diesem anderen Tipp, dem Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag.

Die Versicherung über die KSK bietet den unschlagbaren Vorteil, daß die Krankengeldhöhe von vorneherein feststeht. Nach einem ganz aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts (Aktenzeichen B 1 KR 35/07 R vom November 2008) muß der Krankengeldberechnung nämlich das Einkommen der letzten 12 Monate vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in der bei der Schätzung angegebenen Höhe zugrundegelegt werden. Andere Selbständige stehen viel unsicherer da, besonders wenn nach Eintritt einer AU Krankengeld auf der Grundlage eines Einkommensteuerbescheids berechnet wird, der z.B. wegen einer Ansparabschreibung oder größerer Investitionen sehr wenig oder - noch übler - gar keinen Gewinn ausweist. (Diesen Ärger hatte mein Mann jetzt monatelang wegen eines negativen ESt-Bescheids für 2006, bis endlich die BWA für 2007 als Berechnungsgrundlage anerkannt wurde. Das hieß fast vier Monate lang kein Krankengeld bei natürlich weiter anfallenden laufenden Kosten für sein Firmenfahrzeug und die Miete einer Lagerhalle etc.)

Für die Verhandlungen zu den Beitragsnachzahlungen drücke ich Ihnen die Daumen!

Viele Grüße
Koulchen