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von vlac » 08.08.2013, 00:57
Hallo,
ich möchte gerne einige Anmerkungen hierzu machen, muss aber vorweg schicken: Es ist unmöglich, alle Facetten zu berücksichtigen, denn die rechtliche Lage vor, deren Hintergrund sich diese Situation abspielt ist unglaublich komplex. Eine umfassende Beratung durch gut ausgebildetes Personal, zum Beispiel in einer Beratungsstelle, ist deshalb hier UNERLÄSSLICH, bevor irgendetwas unternommen wird.
Jeder falsche Schritt kann unter Umständen sehr teuer werden.
Zunächst einmal gilt: Eine Nachzahlung von Krankengeld gilt, wie auch die Nachzahlung von Arbeitslohn, als Einzelzahlungen, die jeweils für einen bestimmten Zeitraum erbracht werden.
Von Bedeutung ist das vor allem aus pfändungsrechtlicher Sicht, aber dazu gleich mehr.
Zunächst einmal möchte ich nur auf die Verrechnung von offenen Forderungen der Krankenkasse mit den Nachzahlungen eingehen. Zwar ist es so, dass es sich bei dieser Summe um Zahlungen handelt, die den einzelnen Monaten zugerechnet werden müssen, für die sie entrichtet werden. Doch praktisch hat das nun keine Bedeutung mehr: Hilfebedürftigkeit, beispielsweise nach dem SGB II, kann nicht mehr eintreten.
Denn im SGB II gilt das Zuflussprinzip, eine Rückabwickelung von bereits erbrachten Leistungen sieht das Gesetz ebenso wenig vor, wie eine Antragstellung, die weiter zurück wirkt, als bis zum 1. des Monats, in dem man aktuell lebt.
Wenn man zu den Glücklichen gehört, die wieder gesund geworden sind, und die wieder Arbeit gefunden haben, dann hat man auch hier Glück - es ist gelaufen. Man hat extra Geld auf dem Konto.
Aber: Hilfebedürftigkeit kann nicht mehr eintreten; die Kasse darf deshalb das Maximum dessen nehmen, was ihr das Gesetz erlaubt.
Weniger schön ist die Lage zunächst einmal, wenn man noch im ALG II-Bezug ist: Denn dann ist die Zahlung kein zusätzliches Geld. Sie wird angerechnet. Und zwar in der Zukunft. Dem Gesetz nach wird das Jobcenter hingehen, und diese Zahlung auf die kommenden sechs Monate aufteilen. Diese Teilbeträge werden dann auf das ALG II angerechnet, und zwar anders als Arbeitseinkommen eins zu eins, wobei die Beschaffungskosten des Geldes, in solchen Fällen sind das vor allem Anwaltskosten, abgezogen werden. Diese Berechnung führt dann entweder dazu, dass der ALG II-Zahlbetrag sich um eine Summe X vermindert. Oder dass er, wenn die Teilbeträge den Bedarf überschreiten ganz wegfallen.
In diesem Fall wird dann erwartet, dass man sechs Monate von dem Geld lebt. Was nach sechs Monaten noch übrig ist, gilt dann als Vermögen und unterliegt dann Freibeträgen, was wiederum dazu führen kann, dass falls diese Freibträge überschritten werden, der ALG II-Bezug weiter unterbrochen bleibt.
Das klingt zunächst einmal einfach: Es ist ja Geld zum Leben da, und am Ende bleibt vielleicht sogar noch was übrig. Aber: In der Zeit der Unterbrechung muss man auch für seinen eigenen Krankenversicherungsschutz bezahlen. Das Jobcenter tut dies nicht, so lange keine Hilfebedürftigkeit besteht.
Deshalb ist, so bald klar wird, dass so eine Zahlung kommt, die Zeit gekommen, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Findet man irgendwie einen Job, über den man versichert werden kann? Und dann: Wie hoch wird der Geldeingang sein, nachdem sich die Krankenkasse bedient hat?
Dieser Punkt ist wichtig, weil es noch eine andere Option gibt: Man kann den ALGII-Bezug von sich aus für mindestens einen Monat unterbrechen, in dem man entweder am Ende eines Bewilligungszeitraumes mit einem Neuantrag wartet, oder aber den Leistungsbezug von sich aus für beendet erklärt.
Denn: Tut man das, idealerweise vor dem Geldeingang, dann wird dieses Geld mit dem Neuantrag sofort als Vermögen gewertet. Hier muss man sich selbst die Rechnung aufmachen, ob der Geldeingang unter dem Freibetrag bleibt, man also auf der sicheren Seite ist. Liegt man darüber, kann es sein, dass sich die Wartezeit von sechs Monaten auf weniger Monate reduziert, je nach dem, wie weit man drüber liegt.
Ich hoffe, das ist einigermaßen klar verständlich gewesen. Wie gesagt: Es ist komplex. Und bevor man irgendwas macht, sollte man sich genauer informieren.
Und damit komme ich zu einem weiteren Punkt, der zwar hier in diesem Thread nicht akut ist, aber dennoch extrem wichtig ist: Pfändungen. Ist das Konto gepfändet, gibt es bei einer solchen Überweisung zusätzliche Probleme.
Nicht nur für die Krankenkasse, auch für die Kontopfändung gilt: Solche Zahlungen werden auf die Monate umgelegt, für die sie angefallen ist. Im Internet wird immer wieder geraten, man möge doch einen Antrag beim Vollstreckungsgericht einen Antrag stellen, "das Geld freizugeben".
Es kann pssieren, dass es nur Arbeit macht, aber nichts bringt: Es kann sein, dass es plötzlich Mööök macht, und das Konto das Geld trotzdem verschluckt hat. Denn Krankengeld ist wie Arbeitseinkommen pfändbar - das bedeutet, dass es keine Sonderrechte gibt.
Bei dem Prozedere schaut sich beim Vollstreckungsgericht jemand die Kontobewegungen, also Geldeingänge und Ausgaben der einzelnen Monate an, und rechnet die fiktiv in diesen Monaten eingegangenen zusätzlichen Zahlungen ein. Da sich aber die Geldausgaben in dien betreffenden Monaten nicht rückwirkend erhöhen lassen, und nicht verbrauchtes Guthaben bis zum Freibetrag zwar einmalig den Freibetrag erhöht, aber im übernächsten Monat ausgekehrt wird, kann es auch bei rückwirkenden Neuberechnungen zu sehr hohen Auskehrungen kommen. Auch hier muss man sich genau überlegen, wie man am Besten fährt.
Leider werden die Dinge dadurch nicht einfacher, dass die meisten Banken mittlerweile keine Ruhendstellungen bei Ratenzahlungsvereinbarungen mehr akzeptieren.
Noch ein letztes Wort: Sollte die Nachzahlung tatsächlich kommen, wirst Du für einige Zeit außerhalb des ALG II-Bezuges sein, und in dieser Zeit werden Deine Leistungen ruhen.
Du solltest Dich also um einen Ausgleich der Forderung der Krankenkasse bemühen, denn nur so kannst Du, auch vor dem Hintergrund deiner Erkrankung, für die Du möglicherweise immer noch einen Arzt benötigst, darauf bauen, jederzeit einen Versicherungsschutz zu haben.