Kartellrecht für die GKV

Informationen zu Fusionen, Zusatzbeiträgen und Beitragsausschüttungen der gesetzlichen Krankenkassen

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CiceroOWL
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Es ist vollbracht, Schicht im Schaht.

Beitrag von CiceroOWL » 21.10.2012, 14:26

Die GKV wird nun doch wohl dem Katellrecht unterstellt.

Bully
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Beitrag von Bully » 21.10.2012, 15:14

ist auch schon lange überfällig,

Zitat:
Die Kassen unterlägen jedoch keinem mit der freien Wirtschaft vergleichbaren Wettbewerb,

upps, auf einmal :)
wo doch der Wettbewerb untereinander immer betont wurde

Gruß Bully

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 21.10.2012, 18:47

Hallo,
ich denke, dass es hier nicht unbedingt um Wettbewerb im ursprünglichen Sinn geht, man will hier eher verhindern, dass sich durch "unkontrollierte" Fusionen Superkassen bilden, die den GKV-Markt dominieren, z.B, wird durch dieses "Kartellrecht" eine Fusion zwischen BEK und TK unmöglich werden, auch "Absprachen" sollen dadurch verhindert werden, als ob es das schon einmal gegeben hätte. Die "Macht" der Kassen gegenüber den Leistungserbringern soll
eingegrenzt werden, hört sich gut an, fragt sich nur ob es verfassungsrechtlich wirklich gewollt ist, dass der öffentliche Dienst dem Kartellrecht unterstellt wird,
aber dafür bin ich zu sehr Laie, um das fachlich beurteilen zu können.
Gruss
Czauderna

Dr. Know
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Beitrag von Dr. Know » 22.10.2012, 21:30

Die "Macht" der Kassen gegenüber den Leistungserbringern soll
eingegrenzt werden
Naja, wenn ich den unten angefügten Link lese, soll sich die Anwendung des Kartellrechts gerade nicht auf die Versorgung auswirken:

krankenkassen-direkt.de/news/news.pl?val=1350934098&news=317342536

Zitat: Auch wenn das SGB die Kassen zum gemeinsamen Handeln verpflichte, etwa bei Preisverhandlungen mit der Pharmaindustrie oder bei Verhandlungen um Ärztehonorare, bleibe das Kartellrecht weiterhin außen vor.

Dr. Know
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Beitrag von Dr. Know » 22.10.2012, 21:32

Sollte die EU die Krankenkassen infolge der Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts künftig als Wirtschaftsunternehmen einstufen, drohen diese Vorteile zu versiegen. Letztlich könnte die offiziell von der Regierung nicht gewollte Privatisierung der gesetzlichen Krankenkassen drohen. Dies sei sachfremd, da Krankenkassen keine Unternehmen sind, kritisierte der SPD-Abgeordnete Ingo Egloff.
Das wäre dann das klassische Eigentor, wobei ich nicht glaube, dass es soweit kommt.

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 23.10.2012, 07:09

Geht auchlaut EUGH nicht, die jeweiligen Gesundheitssystme sind die Aufgaben der der jeweilligen Staten, nationales Recht also.

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 23.11.2012, 21:52

aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/krankenkassen/article/827258/wettbewerb-gkv-bkken-bayern-sehen-chancen-kartellrecht.html?sh=1&h=812740452

vdek.com/presse/pressemitteilungen/2012/1123/index.htm

http://www.bundesrat.de/cln_236/nn_6898 ... __nnn=true

Nu ist noch nichts entschieden, mal sehen ob es denn so kommt wie es geplant ist.

CiceroOWL
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Dritte Runde

Beitrag von CiceroOWL » 20.03.2013, 09:05

Der Eiertanz haufe.de/sozialwesen/leistungen-sozialversicherung/schaerferes-wettbewerbsrecht-fuer-krankenkassen-ende-offen_242_170484.html geht weiter.

Mal sehen ob da noch was vor 09/13 passiert


CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 22.09.2013, 00:10

Andererseits ist das Bundeskartellamt gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 SGB V für die wettbewerbsrechtliche Freigabe- bzw. Untersagungsentscheidung zuständig, die letztlich einen vorgela-gerten Aspekt der endgültigen Genehmigungsentscheidung der Aufsichtsbehörde darstellt.
Der Wortlaut des § 172a Abs. 2 SGB V spricht dafür, dass im Falle von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundeskartell¬amt und Aufsichtsbehörde die wettbewerbsrechtliche Letztent¬scheidung beim Bundeskartellamt liegt. Hinsichtlich der rechtlich abgrenzbaren wettbewerbsrechtlichen Zusammenschlusskontroll¬entscheidung des Bundeskartellamts wird vom Gesetzgeber nur die „Herstellung des Benehmens" verlangt, während die sozialversicherungsrechtliche positive Genehmigung überhaupt „erst erfolgen darf", wenn die Vereinigung nach Maßgabe des GWB freigegeben ist oder als freigegeben gilt Die am Wortlaut orien¬tierte Auslegung wird teleologisch bestätigt durch das Ziel des Gesetzgebers, die Vereinigung der immer größer werdenden und den Markt erheblich beeinflussenden Krankenkassen einer wett¬bewerbsrechtlich wirksamen Kontrolle zu unterwerfen.
V. § 130 Abs. 1 Satz 2 GWB n. F. (Gebühren und Beiträge)
§ 130 Abs. 1 Satz 2 GWB n. F. bestimmt, dass öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge von der Anwendung der §§ 19, 20 und 31b Abs. 5 GWB ausgenommen sind. Krankenkassen finanzieren sich durch öffentlich-rechtliche Beiträge der Versicherten (§§ 220 ff. SGB V); die Zusatzbeiträge (5 242 SGB V) sind ebenfalls Teil des Vesichertenbeitrags." Zwar zeigt insbesondere der Verweis auf § 31b GWB und die Gesetzesbegründung, dass es dem Vermitt¬lungsausschuss bei der Einfügung des Satz 2 in § 130 Abs. 1 GWB um die Festlegung kommunaler Beiträge für die (Wasser-)Versorgung ging." Im Gesetzeswortlaut findet sich diese Beschränkung jedoch nicht wieder.
Die möglichen Auswirkungen der Regelung lassen sich wiederum anhand des „Pressekonferenzfalles" nachvollziehen. Folgt man der oben91 dargestellten öffentlich-rechtlichen Betrachtungsweise zur Anwendbarkeit des Kartellrechts, so wirkt sich der in § 130 GWB neu eingefügte Satz nicht aus: Das Wettbewerbs¬recht findet auf die Erhebung von öffentlichrechtlichen Beiträgen keine Anwendung, weil die Krankenkassennsofern nicht als Un¬ternehmen handeln.

Folgt man der kartellrechtlichen Auffassung und der Trennungstheorie, wären jedenfalls die wettbewerblichen Beziehungen, die durch die koordinierte Erhebung gleich hoher Zusatz-beiträge betroffen sind, der wettbewerbsrechtlichen Bewertung zugänglich. Da sich der Wortlaut des § 130 Abs. 1 Satz 2 GWB nicht zwingend auf die Erhebung kommunaler Beiträge be¬schränkt, wäre bei einem weiten Verständnis der Neuregelung die Preisabsprache der Krankenkassen im Pressekonferenzfall der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchskontrolle entzogen; es bliebe nur die Prüfung nach §§ 1 ff. GWB. Die Versicherten könnten nicht vom Missbrauchsverbot nach §§ 19 f. GWB profitieren und wären im Vergleich zu den Leistungserbringern gegenüber den Kranken¬kassen benachteiligt.92 Ob dieses Ergebnis dem Willen des Gesetz¬gebers entspricht, lässt sich nicht ohne weiteres ersehen. Jeden¬falls im Hinblick auf die Erhebung kommunaler Beiträge lässt der Gesetzgeber einen geringeren Schutz der Beitragszahler zu. Ob das auch für den Fall der Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gelten soll, lässt sich nicht ersehen. Die Ge-setzgebungsgeschichte hilft hier nicht weiter; sie zeigt nur, dass der Gesetzgeber sich zu keiner klaren Regelung der wettbewerb-lichen Beziehungen der Krankenkassen durchringen konnte. Im Sinne des Schutzes der Versicherten jedoch, denen immer markt-mächtigere Krankenkassen gegenüberstehen, sollte - sofern man der kartellrechtlichen Betrachtungsweise.

Vl. Zusammenfassung
Dass der vom Gesetzgeber gewollte Wettbewerb der Krankenkassen des Schutzes bedarf, entspricht der überwiegenden Auffas-sung. Allein welcher Art der Schutz sein und wer ihn durchsetzen soll, ist umstritten. Die Achte GWB-Novelle hat in dieser Hinsicht keine Klarheit herbeigeführt - weder in die eine noch in die andere Richtung. Nur bei der Vereinigung von Krankenkassen hat der Ge¬setzgeber nunmehr zugunsten der wettbewerblichen Kontrolle durch das Bundeskartellamt entschieden. Angesichts der Gesetzgebungsgeschichte kann hieraus aber nicht der Schluss gezogen werden, das GWB sei auf das Verhältnis der Krankenkassen unter-einander anwendbar. Das Gesetz gibt insoweit auch keinen Hin¬weis für die weitere Diskussion.

Die Klärung der Frage, wie der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu schützen ist, wird daher entweder einem weiteren Gesetz oder der Rechtsprechung vorbehalten bleiben; nicht auszuschließen ist, dass die Klärung auf Europäischer Ebene stattfinden wird. Bis dahin bleibt es bei der bereits bekannten und umstrittenen Rechtslage.

Aus Wege zur Sozialversicherung 09/ 2013 :ArtikelDas Achte Gesetz zur Änderung des GWB Kading/Kluckert S 231 ff. :oops:

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 21.10.2013, 16:48

Zitat "VI. Fazit und Ausblick
Die 8. GWB-Novelle hat nicht zu den „befürchteten“ tiefgreifen¬den Änderungen im Verhältnis zwischen Krankenkassen und dem Kartellrecht geführt.
Insbesondere verbleiben die Rechtsbeziehungen zwi-schen den Krankenkassen untereinander und zu den Versicherten weiterhin in Bezug auf das Kartellverbot nach §§ 1 ff. GWB und das Missbrauchsverbot nach §§ 18 ff. GWB „kartellrechtsimmun“. Ob eine vollständige „Unterwerfung“ dieser Rechtsbeziehungen unter das Kartellrecht in der Praxis das „Ende des Abendlandes“ für die Krankenkassen bedeutet hätte, mag angesichts der bereits jetzt bestehenden, „überschießenden“ Compliance-Anstrengungen der Krankenkassen in diesem Bereich bezweifelt werden. Jeden¬falls aber wird den Krankenkassen auch weiterhin das Prognoseri-siko in dieser Hinsicht abgenommen.
Zu begrüßen ist ferner die rechtspolitische Signalwirkung in Richtung Europa. Eine vollständige Unterstellung der Rechtsbe¬ziehungen der Krankenkassen unter das nationale Kartellrecht hätte durchaus die Gefahr erhöht, dass auch der Europäische Gerichtshof seine selbst auferlegte Zurückhaltung aufgibt und die deutschen Krankenkassen als „Unternehmen“ im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts ansieht, mit der Folge nicht nur der Anwendung des europäischen Kartellrechts, sondern vor allem des EU-Beihil-fenrechts nach §§ 107 ff. AEUV. Aus- und Umgestaltungen des ge¬setzlichen Krankenversicherungssystems stünden dann wohl unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch die EU-Kommission.
Dagegen dürften sich die Risiken der „Neuerungen“ im Bereich der Fusionskontrolle für die Krankenkassen in Grenzen halten. Freiwillige Vereinigungen von Krankenkassen unterliegen zwar nun neben der sozialrechtlichen Aufsicht bei Erfüllen der fusionskontrollrechtlichen Aufgreifschwellen auch (wieder) dem Fusionskontrollregime des GWB und dem Genehmigungsvorbe¬halt des Bundeskartellamts. Dies ist mit einem erhöhten finanzi¬ellen und zeitlichen Aufwand verbunden. Beim gegenwärtigen Stand des Krankenversicherungs“marktes“ dürften aber nur we¬nige freiwillige Vereinigungen ein Untersagungspotenzial bergen. Allein bei einer freiwilligen Vereinigung von regional starken Krankenkassen erscheint eine Freigabe bei möglichen negativen Auswirkungen auf die regional abgegrenzten Leistungserbringer-märkte nicht von vornherein unproblematisch. Vor allem in den Bereichen, wo diese Krankenkassen auch im Rahmen von kassen¬individuellen Selektivverträgen Leistungserbringerverbänden ge-genüberstehen, die ein Kräftegleichgewicht sicherstellen, dürfte sich dieses Risiko nach der gegenwärtigen Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts schwerlich materialisieren.
Bemerkenswert ist schlussendlich, dass zwangsweise Vereinigungen auf Antrag und sonstige Fälle, die üblicherweise als fusionskontrollrechtliche Zusammenschlusstatbestände ange¬sehen werden (z. B. faktische Übernahme einer Kasse durch An¬stellung der Mitarbeiter und Vorstände verbunden mit der Auffor¬derung an die Mitglieder der übernommenen Kasse zum Wechsel zum Übernehmer) nicht von der Fusionskontrolle erfasst werden, sondern nur „freiwillige Vereinigungen“. Zumindest die zwangs¬weise Vereinigung auf Antrag könnte dadurch in fusionskontroll¬rechtlich nicht unkritischen Fällen bei entsprechendem politischem Willen an Charme gewinnen."

In KRV 05/ 13 S.191

Rechtsanwälte Dr. Ulrich Soltész, LL.M., Dr. Jens Werner, Gleiss Lutz Brüssel/Düsseldorf

Die 8. GWB-Novelle –
(K)eine neue Welt
für die Krankenkassen?

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