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von vlac » 11.03.2019, 14:56
Hallo,
am Anfang gab es eine Diagnose, auf Grund der ein Behandlungsplan erstellt wurde, in dem festgestellt wurde, dass eine Operation zur Behebung eines schwerwiegenden Gesundheitszustandes nebst einer kieferorthopädischen Behandlung unausweichlich,also notwendig, ist.
Die von Dir zitierte Aussage Deines Arztes ist schon deshalb ohne jegliche Logik, weil es im Genehmigungsverfahren eben nicht darum geht zu klären, ob eine Operation möglich ist, sondern ob sie notwendig ist, um eine schwerwiegende körperliche Fehlstellung zu beseitigen, denn die Zahnstellung selbst ist hier nur eines aus einer Reihe von Symptomen der Fehlstellung.
Der Behandlungsplan ging zu einem oder mehreren Gutachtern, der oder die zu dem gleichen Ergebnis gelangt ist / sind wie die behandelnden Ärzte, denn ansonsten hätte die Krankenkasse die Kostenübernahme nicht bewilligt. Wohlgemerkt, und ich habe mich hier bei Experten rückversichert: Bei allen Körperzuständen, die gemäß der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses eine kieferorthopädische Behandlung bei Erwachsenen rechtfertigen, ist ein kieferchirurgischer Eingriff unausweichlich, um ein medizinisch akzeptables Ergebnis zu erreichen. Dass Fehlstellungen der Kiefer im Laufe der kieferorthopädischen Behandlung von selbst verschwinden, ist nicht realistisch. Es geht bei der Behandlung auch nicht darum, ob die Zähne "super" sind, oder "1A", denn der ästhetische Aspekt ist bestenfalls ein Nebeneffekt, den man zusätzlich zur Heilung oder Linderung von Beschwerden anstrebt; es ist aber kein Indikator dafür, ob eine Mediziner fachlich gut ist, oder eine Behandlung das beste medizinische Ergebnis erzielt hat.
Wir brauchen auch gar nicht lange um den Elefanten im Raum herum zu reden: Es gibt eine Vielzahl von Fällen, in denen Kieferorthopäden bei Erwachsenen medizinische Indikationen, die eine kombiniert kieferorthopädisch / kieferchirurgische Behandlung rechtfertigen, fabrizieren, und die dann tatsächlich Patienten in den OP schieben lassen, die keine OP brauchen, nur damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt.
Was Dir passiert ist, lässt sich natürlich von hier aus nicht sagen, aber ganz grundsätzlich ist es so: Entweder die Indikation lag von Anfang an nicht vor. Oder der Patient hat sich während der Behandlung gegen die Operation entschieden; auch das kommt vor. Oder man müsste sich Gedanken über die Qualität der Behandlung machen. Denn dass im Antragsverfahren eine Kieferfehlstellung zwingend operiert werden muss, und dann während der Behandlung mirakulös verschwindet, das gibt es, wie gesagt nicht, nicht und in diesem Fall würde, auch wenn die Zähne jetzt klasse sind, das eigentliche Problem weiter bestehen.
Die Fachleute fanden aber auch einen Aspekt komisch: Normalerweise bereitet der KFO die Zähne zunächst auf die Operation vor, bringt sie also in eine bestimmte Stellung, weil danach ja alles zusammen passen muss. Unterbleibt die Operation, dann muss dementsprechend auch die Zahnstellung angepasst werden, denn sonst sehen die Zähne alles andere als "super" aus, und da das bei Dir trotzdem der Fall ist, lässt zumindest die Vermutung zu, dass bei der Durchführung der Behandlung nie tatsächlich eine Operation geplant war.
Es tut mir leid, dass ich Dir das so direkt sagen muss, aber Du musst wenigstens wissen, wie andere die Dinge sehen könnten, damit Du eine Entscheidung treffen kannst, wie Du nun weiter verfahren möchtest. Nur Du weißt, was wirklich gelaufen ist: Wenn Du tatsächlich eine schwerwiegende Fehlstellung gehabt haben solltest, dann ist es unausweichlich, dass Du Dich an einen anderen Arzt wendest, damit der die Behandlung überprüft. Ist es aber vor allem um die Zähne gegangen, würde ich mir die Frage stellen, ob man die 630 Euro nicht einfach abschreibt und sich über die schönen Zähne freut; privat abgerechnet hätte die Geschichte wohl an die 6000 Euro gekostet.
Die Krankenkasse wird Dir den Eigenanteil nicht erstatten, und das schon allein deshalb nicht, weil sich die Krankenkasse Dir gegenüber nur dazu verpflichtet hat, Dir den Eigenanteil zu erstatten, wenn Du die im Behandlungsplan festgelegte Behandlung vollständig abschließt; das ist nicht geschehen. Wenn Du der Krankenkasse nun irgendwelche Schreiben des KFO einreichst, wird man sich dort wahrscheinlich die Sache mit der feinen Lupe anschauen.
Es würde mich nicht wundern, wenn irgendwo in den Unterlagen der Krankenkasse drin steht, dass Änderungen des Behandlungsplanes mitzuteilen sind. Wäre dies geschehen, hätte die Krankenkasse, wie Dein Arzt richtigerweise feststellt, die Zahlungen wahrscheinlich eingestellt, weil die Voraussetzungen für die Kostenübernahme nicht oder nicht mehr vorgelegen haben.
Man würde hier auch wahrscheinlich vorhalten, dass Du über Art und Umfang der behandlugnsbedürftigen Krankheistbilder und die sich daraus ergebenden notwendigen Behandlungen informiert warst, und dementsprechend auch eine zweite Meinung hättest einholen müssen, nachdem Dein Arzt mitten in der Behandlung derart drastisch vom festgelegten Behandlungsplan abweichen wollte.
Ich persönlich würde hier ohne fachkundige Begleitung keine Schritte unternehmen, denn die Gefahr, dass bei der Krankenkasse schlafende Hunde geweckt werden, ist groß.
Allerdings ist der Streitwert derzeit gering, und die Thematik komplex: Es dürfte also schwer werden, einen Anwalt zu finden, der sich des Falles annimmt.
Zudem ist es sehr wahrscheinlich, dass in Bezug auf die Krankenkasse überhaupt keine Chancen bestehen, weil die Richtlinien ebenso wie die Kostenübernahmeerklärung eindeutig sein dürften. Und die Aussichten einer Schadenersatzforderung gegen den Arzt ohne dass ein nachgewiesener Behandlungsfehler vorliegt, sind wahrscheinlich nicht sehr hoch: Der Arzt würde sich wohl auf seine berufsrechtlichen Pflichten berufen, die vorschreiben, dass nach dem Stand der Wissenschaft zu behandeln ist, und vor diesem Hintergrund argumentieren, dass er nicht dazu verpflichtet werden kann, einen Patienten in einen unnötige Operation zu schicken, damit der um die 630 Euro spart, und gut möglich ist auch, dass damit argumentiert wird, dass Dir entweder nur ein geringer oder gar kein Schaden entstanden ist, je nachdem, wie man die Dinge sieht: Hättest Du die Kieferorthopädie privat bezahlt, wärst Du mit einigen Tausendern dabei gewesen. Und so wie die Dinge nun stehen, hast du ohne Operation zumindest Zuzahlungen, Fahrtkosten und möglicherweise auch Einkommensausfall bei einer AU von mehr als sechs Wochen gespart.
Da bleibt im allerbesten Fall nicht viel übrig, außer der größten Gefahr von allen: Dass die Krankenkasse an den Arzt heran tritt, und ihre Vergütungen zurück haben will, denn in diesem Fall ist es durchaus denkbar, dass der Arzt auf die Idee kommt, Dir die Leistungen in Rechnungen zu stellen; ob das möglich ist, hängt davon ab, was Du dort unterschrieben hast, und dies wäre dann ein Rechtsstreit mit für Dich wahrlich unvorhersehbarem Ausgang und sehr erheblichen Folgekosten.
So ungefähr sehen die Dinge aus.