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von vlac » 29.04.2015, 00:39
Hallo,
hinter dem Begriff "Elterntraining" verbergen sich eine Unmenge von Konzepten von sehr wechselhafter, aber meist, aus objektiv-fachlicher Sicht, in vielerlei Hinsicht problematischen Konzepten, die auf ebenso problematische Art und Weise von Ärzten, Therapeuten, aber auch Dritten innerhalb und außerhalb des Internets beworben werden.
Ich möchte gerne kurz, für diejenigen hier, die nicht eingearbeitet sind, einen Überblick darüber geben, was die Krankenkasse leisten darf: Sie darf nur Leistungen bezahlen, die der Vorbeugung, Erkennung, Linderung und Heilung von Erkrankungen dienen, und von dafür zugelassenen Leistungserbringern mit fachlich anerkannter Qualifikation erbracht werden - mit meinen eigenen Worten ausgedrückt. Nicht bezahlen darf sie Leistungen der Erziehungsberatung und Erziehungshilfe. Dies sind Leistungen, die in den Bereich der Träger der Jugendhilfe (Jugendamt) fallen, oder selbst gezahlt werden müssen.
Das ist das eine.
Die Inhalte der vielen verschiedenen Elterntrainings auf dem Markt sind, wie gesagt, vielfältig - es gibt viele verschiedene Ansätze, die unterschiedliche Effekte auf das von ADHS betroffene Kind und auch auf das Sozialgefüge (Familie), in dem es aufwächst haben können. Manche dieser Angebote legen tatsächlich den Schwerpunkt auf Stressbewältigung, und könnten damit als Prävention durchgehen. Das sind die Fälle, in denen Kassen auch tatsächlich gezahlt haben (aber: Bei dem hier verlinkten Angebot haben auch die erwähnten Kassen mittlerweile mitbekommen, dass es sich dabei nicht um Prävention handelt). Andere nehmen für sich in Anspruch, das Nonplusultra unter den Erziehungsmethoden vermitteln zu können. Darüber hinaus sind die Anbieter ebenso vielfältiger Herkunft: Es gibt Ärzte, die so etwas anbieten, aber es gibt auch Heilpraktiker, und sogar einfach nur Leute, die ein bisschen Geld nebenbei verdienen wollen, die solche Kurse anbieten.
Wenn es um Stressbewältigung und Entspannung geht, sind wir tatsächlich im Präventionsbereich: In diesem Fall werden solche Kurse tatsächlich von Krankenkassen übernommen, und das auch nur, wenn die Anbieter dafür qualifiziert sind. Und, wie gesagt, nur dann, wenn es auch wirklich darum geht, und nicht nur ein Aspekt aus dem Kurs raus gegriffen wurde.
Alles, was allerdings in den Bereich der Erziehungsberatung geht, fällt nicht in den Aufgabenbereich der Krankenkassen, und wird auch nicht bezahlt. Jeder, der vermutet, dass es Defizite in der Erziehung sind, die zu der Problematik geführt haben, sollte sich an dafür ausgebildetes Personal wenden - die Jugendämter sind hier die richtigen Ansprechpartner.
Denn: Die Elternkurse sind teuer, und die Leute, die sie abhalten, haben oft selbst nur einen Kurs absolviert, der maximal ein paar Tage gedauert hat. Sie sind fachfremd.
Jene Kurse, die für sich in Anspruch nehmen, Erziehungsmethoden vermitteln zu wollen, bergen das extrem große Risiko, die Problematik zu verschlimmern. Denn: Diese Kurse sind nicht auf die individuelle Lebenssituation der einzelnen Familie abgestimmt, was bedeutet, dass die Methode nie auf alle Familien gleichermaßen angewandt werden kann. Das mögliche Ergebnis ist, dass das Kind durch ständig wechselnde Erziehung verwirrt wird, und irgendwann überhaupt nicht mehr weiß, was Sache ist.
So etwas gehört in die Hände von Experten (nicht: Ärzte, Psychotherapeuten, Heipraktiker; gerne: Ärzte, die mit Sozialpädagogen zusammen arbeiten), die sich das Zusammenleben vor Ort, zu Hause anschauen, und dann auf dieser Grundlage ein Konzept entwickeln, falls es notwendig sein sollte.
Was mich persönlich bei der Materie ADHS immer wieder stört ist, dass sich mittlerweile eine regelrechte Industrie gebildet hat, die mit der Verzweiflung der Eltern Geld verdient. Kaum jemand kann auf den ersten Blick durchschauen, was bei einem Angebot dahinter steckt, und was es taugt.
Dabei wird auch teils unsauber gespielt: Indem man den Leuten beispielsweise sagt,die Krankenkasse übernehme das, man müsse nur erst die Rechnung zahlen, und dann bei der Kasse einreichen. Bis die Ablehnung da ist, ist das Geld weg.