Urteil zur Praxisgebühr

Welche Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt?

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ippuj
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Urteil zur Praxisgebühr

Beitrag von ippuj » 02.07.2009, 07:51

Das BSG hat ja nun ein Urteil zur Praxisgebühr gegefällt. Interessant ist der dazu veröffentlichte Pressetext:

Die "Praxisgebühr" ist rechtmäßig

Das Bundessozialgericht hat heute entschieden, dass die in der Öffentlichkeit vielfach als Praxis­gebühr (§ 28 Abs 4 iVm § 61 Satz 2 SGB V) bezeichnete vierteljährliche Zuzahlung von 10 Euro für den Arztbesuch von Versicherten nicht verfassungswidrig ist.

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger begehrte die Rückzahlung von 30 Euro, die er als Praxisgebühr für das 1. - 3. Quartal 2005 hat entrichten müssen. Er hält die Praxisgebühr für grundsätzlich verfassungswidrig und beantragte bei der Beklagten schon Ende 2004, ihn von dieser frei zu stellen. Die Beklagte lehnte dies ab, weil die Voraussetzungen einer Befreiung gemäß § 62 SGB V nicht vorlägen und die Erhebung der Praxisgebühr nicht verfassungswidrig sei. Die Klage hier­gegen ist in allen Instanzen erfolglos geblieben. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Praxis­gebühr sieht der Senat nicht.

Die Praxisgebühr fügt sich nahtlos ein in das System der sonstigen Zuzahlungen, die von den Ver­sicherten der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenkassen (zB Arzneimittel, Heilmittel und Hilfsmittel) zu entrichten sind. Zur Frage der Recht­mäßigkeit solcher Zuzahlungen haben das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozial­gericht schon mehrfach Stellung genommen. Die Krankenkassen sind weder nach dem SGB V noch von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wieder­herstellung der Gesundheit verfügbar ist. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung darf viel­mehr auch von finanziellen Erwägungen mitbestimmt sein. Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht. Dem Gesetzgeber ist es im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes grundsätzlich erlaubt, die Versicherten über den Bei­trag hinaus zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins an bestimmten Kassenleistungen in der Form von Zuzahlungen zu beteiligen, jedenfalls soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann und der Versicherungsschutz durch die Höhe der Zuzahlungen nicht ausgehöhlt wird. Davon kann bei einer vierteljährlichen Zuzahlung von 10 Euro für den Praxisbesuch und einer Begrenzung der Gesamtsumme aller Zuzahlungen auf 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (§ 62 SGB V) ‑ bei chronisch Kranken, die wegen derselben schwer­wiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, auf nur 1 % ‑ nicht die Rede sein.


Wenn einem Arbeiter bei einem Unfall ein Körperteil abgesägt wird, muß er das Wiederannähen selbst bezahlen, es gehört nicht zur Kassenleistung.

Mein Glaube an das deutsche Sozialversicherungssystem ist wieder ein großes Stück gesunken... :evil:

MfG Ippuj

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 02.07.2009, 12:04

Hallo,

"Wenn einem Arbeiter bei einem Unfall ein Körperteil abgesägt wird, muß er das Wiederannähen selbst bezahlen, es gehört nicht zur Kassenleistung.

Mein Glaube an das deutsche Sozialversicherungssystem ist wieder ein großes Stück gesunken..."

bemerkenswerte Schlussfolgerung - nur, wie kommen Sie darauf
dass der Arbeiter das Wiederanbringen seines "Körperteils" selbst bezahlen muss ???

Gruß

Czauderna

ippuj
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Beitrag von ippuj » 02.07.2009, 13:34

Sehr einfach, das ist der unterstrichene Teil des Pressetextes konsequent weitergedacht. Nicht umsonst gab es schon Diskussionen, ob teure Behandlungen für alte Menschen überhaupt noch wirtschaftlich sind.

Gerade in der letzten Zeit ist immer wieder festzustellen, daß man gar nicht weit genug denken kann. Beispiele gibt es genug: Waffengesetz, Vorratsdatenspeicherung, Internet-Zensur, uvm. Da wird von der Politik sehr viel unter dem Vorwand beschlossen, doch nur das beste zu wollen, letztlich wird aber nur Unfähigkeit demonstriert.

Lord Dragon
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Beitrag von Lord Dragon » 03.07.2009, 14:39

Es steht auch da, dass man Versicherte in Form von Zuzahlungen beteiligen darf und nicht, dass Versicherte die Kosten für Operationen übernehmen sollen! Im Krankenhaus muss man ja auch 10 EUR pro Tag zahlen. Ich finde, dass man 10 EUR in drei Monaten auftreiben kann, außerdem gibt es auch Hausarzttarife.

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 03.07.2009, 15:24

ippuj hat geschrieben:Sehr einfach, das ist der unterstrichene Teil des Pressetextes konsequent weitergedacht. Nicht umsonst gab es schon Diskussionen, ob teure Behandlungen für alte Menschen überhaupt noch wirtschaftlich sind.

Gerade in der letzten Zeit ist immer wieder festzustellen, daß man gar nicht weit genug denken kann. Beispiele gibt es genug: Waffengesetz, Vorratsdatenspeicherung, Internet-Zensur, uvm. Da wird von der Politik sehr viel unter dem Vorwand beschlossen, doch nur das beste zu wollen, letztlich wird aber nur Unfähigkeit demonstriert.
Hallo,

na ja, zwischen denken und RFealität gibt es doch gott sei Dank immer noch grundsätzliche Unterschiede, so wurde die Diskussion ob bestimmte operationen oder teure Hilfsmittel nur noch bis zu einem bestimmten Alter bezahlt werden mehr aus dem Satire-Bereich angestossen als ernsthaft von irgendeiner der Beteiligten wie z.B. den Krankenkassen
oder der Politik.
Was dagegen ernsthadt diskutiert werden muss und bereits auch getan wird sind Fragen wie,

muss die Gesellschaft für Erkrankungen oder Verletzungen bezahlen, die grob Fahrlässig oder mit Vorsatz herbeigeführt wurden.

wenn ich allein die Kosten der Behandlung von alkoholisierten Personen bei Veranstaltungen wie dem Oktoberfest, Rock-Konzerten usw.
herannehme dann gehen diese Kosten für die Krankenkassen jährlich in die Millionen.

die nur ein Beispiel !!

Gruß

Czauderna

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