billy hat geschrieben:
Wenn ich mir eure Stellungnahmen durchlese, stelle ich fest, dass hier sehr unterschiedliche Meinungen vorliegen. Daraus schließe ich jetzt, dass es offensichtlich keine rechtsverbindliche Grundlage gibt, nach der bei psychischen Erkrankungen eine persönliche Begutchtung zwingend erfolgen MUSS.
Ja. Ich gehe davon aus, dass wie in der Vergangenheit eine Änderung der Begutachtungsanleitung erfolgen würde, wenn das BSG entschieden hätte. Wie z. B. die Änderung in der Frage 51,1 erfolgte, nachdem das BSG entsprechende Grundsätze aufgestellt hat. Jetzt kann man natürlich wieder darüber diskutieren, ob diese Begutachtungsanleitung rechtsverbindlich ist, aber im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass eine Kasse in einem Rechtsstreit wahrscheinlich schon in der ersten Instanz scheitern würde, wenn sie mit einem Gutachten in den Ring steigt, das den Anforderungen der BSG-Rechtssprechung nicht genügt.
billy hat geschrieben:
Das würde erklären, warum die Rechtsprechung der ersten und zweiten Instanz uneinheitlich ist. Auf gut Deutsch: es ist auch ein Stück weit Zufall oder Glück, ob man mit diesem Argument weiterkommt. Und offenbar agieren da Krankenkassen auch recht unterschiedlich.....bei LB würde offenbar eine KG-Einstellung nach Aktenlage bei einem psychisch Kranken gar nicht passieren (zumindest interpretiere ich deine Äußerungen so).
Es würde mich sehr wundern, wenn es eine Kasse gäbe, die das so handhabt. Denn wenn der MDK entscheidet, dass er nach Aktenlage entscheidet, hat keine Kasse die Möglichkeit, eine persönliche Begutachtung zu verlangen. Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Allerdings wäre das wohl bei allen Kassen nur der erste Schritt, bei einem Widerspruch wird - sofern der MDK seine Einschätzung nicht ändert - zumindest von unserem MDK immer persönlich und durch einen Facharzt begutachtet.
billy hat geschrieben:
Ist es nicht aber ein großer Widerspruch, wenn eine AU nur nach persönlicher Untersuchung festgestellt werden darf, eine AF aber durchaus nur nach Aktenlage. Und zwar jetzt mal völlig unabhängig davon, ob der Versicherte psychisch krank ist oder Rücken, Herz oder sonstwas hat. Ich finde das jedenfalls widersprüchlich. Oder gibt es dafür logische nachvollziehbare Gründe?
Die AU-Feststellung ist nicht so schwarz und weiß, wie sie auf dem Papier dargestellt wird. Hand auf's Herz, wer wird tatsächlich von seinem Arzt eingehend über seine berufliche Situation befragt, wenn er "Rücken" oder "Erschöpfung" hat? Zumindest die ersten Krankschreibungen erfolgen zwar nach persönlicher Untersuchung oder oft auch nur nach einem Gespräch, aber die berufliche Komponente bleibt häufig außen vor.
Was ich damit sagen will - eine persönliche Untersuchung sagt nichts darüber aus, ob die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich gerechtfertigt ist, wenn die Bezugstätigkeit ausgeblendet wird. Und auch wenn sie einbezogen wird, bleiben Zweifelsfälle übrig, bei denen der behandelnde Arzt aus nachvollziehbaren Gründen auf "arbeitsunfähig" entscheidet.
Der MDK legt sein Hauptaugenmerk auf die Bezugstätigkeit und gleicht die vorgelegten Arztanfragen, Arztberichte und Befunde damit ab. Er muss z. B. anders als der behandelnde Arzt keine Diagnostik veranlassen, sondern die Befunde bewerten. Bei Unklarheiten hilft ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt oft weiter, eher als eine persönliche Begutachtung. Und, auch das muss man ehrlich sagen, hat der MDK nicht die Kapazitäten, um in jedem Fall eine persönliche Begutachtung durchzuführen. Ganz abgesehen von den fehlenden technischen Möglichkeiten. Der MDK kann nicht mal schnell ein CT oder ein Langzeit-EKG durchführen, wohl aber das vorgelegte CT oder Langzeit-EKG bewerten. Und dazu braucht er den Patienten nicht, anders als der Arzt, der CT oder Langzeit-EKG durchführt. Das alleinige Bewerten vorgelegter Befunde kann allerdings dazu führen, dass wichtige Dinge außer Acht gelassen werden, da der MDK nichts davon weiß. Und wenn der Arzt dann nicht zu einem Gespräch bereit ist, kann es schon passieren, dass aufgrund der Aktenlage eine Entscheidung getroffen wird, die bei näherem Hinsehen nicht korrekt ist. Deshalb gibt es die Möglichkeit des Widerspruches und/oder der Zweitbegutachtung, bei der diese Dinge dann berücksichtigt werden und meist eine persönliche Begutachtung erfolgt. Aber die persönliche Begutachtung aller Patienten ist nicht leistbar.
Und auch beim MDK bleiben Zweifelsfälle übrig - und wenn diese dann mit "arbeitsfähig" bewertet werden, entscheidet einfach die Reaktion des Versicherten und/oder seines Arztes darüber, wie es weitergeht. Oft ist das dann auch der benötigte "Stubser", um einen Facharzt einzuschalten, eine Reha zu beantragen oder sonstiges.
Arbeitsunfähigkeitsfälle sollen und dürfen nicht schematisch bearbeitet werden, da kranke Menschen betroffen sind. Und genausowenig zielführend ist es, ohne Kenntnis der gesamten Umstände Tipps wie "Gutachten nach Aktenlage ist nicht korrekt" "Der behandelnde Arzt entscheidet, ob ein Urlaub möglich ist" oder "Lege Widerspruch ein, die sagen sowieso immer zuerst, man sei arbeitsfähig" zu geben.