Dr. Rebscher - Zusatzbeitrag

Informationen zu Fusionen, Zusatzbeiträgen und Beitragsausschüttungen der gesetzlichen Krankenkassen

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CiceroOWL
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Dr. Rebscher - Zusatzbeitrag

Beitrag von CiceroOWL » 21.07.2009, 18:21

"Krankenkassen erheben bald Zusatzbeiträge"
zuletzt aktualisiert: 21.07.2009 - 02:30

Interview DAK-Chef Herbert Rebscher über Finanzierungsprobleme der Kassen, Klagen der Ärzte und Extra-Beiträge für Raucher

Düsseldorf Mit 6,3 Millionen Versicherten ist die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) die drittgrößte Ersatzkasse. Wir sprachen mit DAK-Chef Rebscher über die Lage im Gesundheitssystem.

Wie läuft der Gesundheitsfonds?

Rebscher Der Fonds ist kein intelligentes Modell. Das merkt man alleine schon, wenn man sich die Programme der einzelnen Parteien anschaut: Da steht nur noch seltsam wenig zu diesem Thema drin. Der Fonds ist nichts anderes als der Einheitsbeitrag.

Was ist daran so schlecht?

Rebscher Man brauch nicht viel Fantasie, um daraus ein Einheitssystem abzuleiten, mit einheitlichen Behandlungen, einheitlichen Honoraren für Ärzte und so weiter. Wir müssen endlich von dieser Einheitslogik wegkommen. Wenn die Politik mehr Wettbewerb will, dann muss sie auch wettbewerbliche Preise und wettbewerbliche Honorare zulassen.

Mit welchen Problemen haben die Kassen derzeit zu kämpfen?

Rebscher Wir müssen dringend das Schuldenproblem in den Griff bekommen. Nicht die einzelne Kasse hat da ein Problem, sondern der Fonds. Der jetzt gefundene Beitragssatz bringt allein in diesem Jahr drei Milliarden weniger als notwendig. Da wir davon ausgehen müssen, dass sich die Situation am Arbeitsmarkt im kommenden Jahr deutlich zuspitzt, könnte das System schon 2010 mit bis zu elf Milliarden Euro unterfinanziert sein.

Ab wann müssen die Kassen Zusatzbeiträge verlangen?

Rebscher Die große Unbekannte ist die Bundestagswahl. Unterstellt man, dass das System in der derzeitigen Form auch nach der Wahl Bestand hat, gibt es 2010 flächendeckend Zusatzbeiträge. Keine Kasse wird ihn vor der Wahl erheben, weil das der Selbstmord am Markt wäre.

Was würde mit dem geschehen, der als erster Zusatzbeiträge verlangt?

Rebscher Die Kasse würde über Nacht zahlreiche gesunde, junge Menschen verlieren. Die reagieren sehr schnell auf Preisänderungen. Die älteren Versicherten, die sich über den Leistungsbedarf der Kasse gebunden fühlen, bleiben auch beim Zusatzbeitrag. Fallen die jungen Beitragszahler aber weg, fehlt der Kasse das Geld für die Versorgung. Der Zusatzbeitrag müsste deshalb tendenziell noch einmal steigen.

Ärztepräsident Hoppe hat vor einer Zwei-Klassen-Medizin gewarnt.

Rebscher Die Frage nach den notwendigen medizinischen Leistungen darf man nie in Verbindung mit der Einkommenssituation von Ärzten stellen – so wie Hoppe das getan hat. Wir müssen eine seriöse Diskussion darüber führen, welche Leistungen einen medizinischen Nutzen haben. Und dafür haben wir ja etwa den gemeinsamen Bundesausschuss. Eine Leistung, die dort aus Gründen der Wirksamkeit ausgeschlossen wurde, wird ja nicht wegrationiert. Es ist schlicht eine unwirksame Leistung.

Sollten Raucher oder starke Trinker stärker zur Kasse gebeten werden?

Rebscher Nehmen Sie ein Beispiel: Ein Glas Rotwein ist gesund, das zweite oder dritte aber schädlich. Niemand kann eine Gesellschaft wollen, die überprüft, ob Sie das zweite oder dritte Glas trinken. Eine Gesellschaft, die sich nicht traut, ein Rauchergesetz in Kneipen durchzusetzen, sollte nicht versuchen, dies über die Versicherungsprämien nachzuholen.

Maximilian Plück führte das Gespräch.
Quelle: Rheinische Post

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 22.07.2009, 08:19

Hallo,
eigentlich sollte ich mich dazu nicht äussern da befangen - ich tue es aber trotzdem weil ich finde - der Mann hat recht mit dem was er das in diesem Interview gesagt hat.
Ich bin nicht immer seiner Meinung (nur, da hat weder er noch ich etwas davon), aber hier liegt er voll auf meiner Linie.
Wenn sich da nix gravierendes ändert wird die Krankenversicherung der Zukunft für alle sehr teuer dafür aber auch sehr einheitlich und Namen, Mitgliederzahlen oder gar Vorstandsgehälter werden Schall und Rauch sein.
Gruß
Czauderna

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 22.07.2009, 14:00

Wäre die Konzequens des Nichthandelns

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 22.07.2009, 19:55

Der Fuldaer Gesundheitsökonom Prof. Dr. Stefan Greß und die Dr. Simone Leiber und Maral Manouguian vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung Forscherinnen zeigen in einer jetzt veröffentlichten Studie, dass Deutschland mit seinem Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenvollversicherung in Europa mittlerweile eine Ausnahme ist. In den Niederlanden, dem letzten europäischen Land mit einer ähnlichen Aufteilung des Krankenversicherungsmarktes, wurden beide Versicherungssysteme im Jahr 2006 integriert. Unter den entwickelten Industriestaaten verfügen nur noch die USA über vollkommen unterschiedliche Versicherungssysteme für die Krankenvollversicherung.

Für eine Abkehr von der jetzt in Deutschland noch heftig verteidigten "dualen" Struktur gibt es nach Einschätzung der Forscher gute Gründe, weil sie die Effizienz und Gerechtigkeit im Krankenversicherungssystem nachhaltig schwächen:
• Es gibt Anreize zum Ausstieg aus dem Solidarsystem. Die für Versicherte mit hohem Einkommen, Selbstständige und Beamte bestehende Möglichkeit, aus der gesetzlichen (GKV) in die private Versicherung (PKV) zu wechseln, führt zu einer "negativen Auslese". Insbesondere gesunde junge Singles mit hohen Einkommen entziehen sich dem gesetzlichen Solidarsystem. Personen mit mittleren oder unteren Einkommen, chronisch Kranke und Versicherte mit vielen Kindern bleiben in der GKV.
• Begünstigt wird eine "Zwei-Klassen-Medizin": PKV-Versicherte genießen oft eine Vorzugsbehandlung: Sie kommen beim Arzt schneller dran und werden ausführlicher beraten, wie viele Studien zeigen. Mit Blick auf diese Unterschiede im Zugang zu Gesundheitsleistungen warnen die Experten: Es bestehe "die massive Gefahr von Unter- und Fehlversorgung, durch die vermeidbare gesundheitliche Schäden entstehen. Gleichzeitig besteht die Gefahr der Überversorgung von privat versicherten Patienten". Die Ungleichbehandlung sei eine Folge der unterschiedlichen Abrechnungssysteme für ärztliche Leistungen: Mediziner verdienen an Privatpatienten, für die sie alle Einzelleistungen ohne Mengenbegrenzung abrechnen können, besser als an Kassenpatienten - ein Grund für das starke Ausgabenwachstum der PKV. Die Behandlung von Kassenpatienten wird mit einem Mix aus Fallpauschalen und gedeckelten Einzelvergütungen entlohnt.

Die technisch einfachste Möglichkeit, die Defizite des aktuellen Systems zu beheben, bestünde den Wissenschaftlern zufolge darin, alle Bürger zur Mitgliedschaft in der GKV zu verpflichten und privaten Anbietern nur das Feld der Zusatzversicherungen zu überlassen. Dies sei jedoch politisch wenig realistisch. Und es würde Unternehmen hart treffen, die ausschließlich diese Versicherungssparte betreiben und in der Vergangenheit wenig in den Markt für Zusatzversicherungen investiert haben. Für leichter umsetzbar halten die Wissenschaftler ein Modell, in dem für alle Krankenversicherungen die gleichen Regeln gelten. So gäbe es keine systematischen Wettbewerbsvor- oder -nachteile für einen bestimmten Versicherungstyp. Ein solches Modell wäre auch mit dem neu eingeführten Gesundheitsfond vereinbar.

Der Staat würde dann einen Mindestkatalog der von der Standardversicherung abzudeckenden medizinischen Leistungen vorgeben. Den Versicherungsträgern stünde es frei, ihren Mitgliedern weitere, extra zu bezahlende Leistungen anzubieten. Die Existenzberechtigung privater Krankenversicherer würde in diesem Modell nicht infrage gestellt, betonen die Wissenschaftler. Um diesen Ansatz zu verwirklichen, wären einige grundlegende Korrekturen am Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherungen nötig:
• Privat Versicherte würden künftig einkommensabhängige Beiträge an den Gesundheitsfonds leisten.
• Auch die privaten Versicherungen bekämen Zahlungen für ihre Mitglieder aus dem Gesundheitsfonds.
• Das Abrechnungssystem für ärztliche Leistungen müsste vereinheitlicht werden - nach Möglichkeit aufkommensneutral.

• Abstract des Aufsatzes: Stefan Greß, Simone Leiber, Maral Manouguian: Integration von privater und gesetzlicher Krankenversicherung vor dem Hintergrund internationaler Erfahrungen
• Inhaltsverzeichnis WSI Mitteilungen 7/2009, Schwerpunktheft: "Zukunft der Sozialversicherung - Sozialversicherung der Zukunft"
• Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung: Gesundheitsforscher: Reformschritte für fairen Wettbewerb zwischen Krankenversicherungen

Gerd Marstedt, 20.7.09

Czauderna
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Beitrag von Czauderna » 22.07.2009, 22:41

Hallo,
na ja, da wären wir dann wieder bei der "Bürgerversicherung" der SPD,
einhergehend mit der Abschaffung der PKV-Vollversicherung.
Gruß
Czauderna

CiceroOWL
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Beitrag von CiceroOWL » 23.07.2009, 06:34

Richtig, wäre am efffektivsten für alle.

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